Kassen-Finanzpolster wachsen - Rufe nach Entlastungen

Dank der guten Wirtschaftslage haben die Krankenversicherungen enorme
Summen auf der hohe Kante - das weckt politische Begehrlichkeiten.

Berlin (dpa) - Angesichts weiter wachsender Finanzpolster der
gesetzlichen Krankenkassen werden Rufe nach Entlastungen der
Beitragszahler lauter. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
sagte am Mittwoch: «Für das kommende Jahr sollten die Kassen alle
Spielräume konsequent nutzen, um ihre Zusatzbeiträge zu senken.» Die

SPD untermauerte ihre Forderung, Belastungen für Betriebsrentner zu
senken. Die Rücklagen sind laut Ministerium bis Ende September auf
21 Milliarden Euro gestiegen, nachdem es Ende Juni erstmals mehr als
20 Milliarden Euro gewesen waren.

Spahn sagte der «Bild»-Zeitung (Mittwoch): «Die Krankenkassen horten

weiter das Geld der Beitragszahler. Sie haben inzwischen das
Vierfache der Mindestreserven auf der hohen Kante. Das ist einfach zu
viel.» Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung hob
hervor, dass in diesem Jahr schon Kassen mit insgesamt 21,9 Millionen
Versicherten ihren Zusatzbeitrag gesenkt hätten. Grundsätzlich sei es
ein wichtiges Signal, dass die Solidargemeinschaft der 72 Millionen
Versicherten auf einem soliden finanziellen Fundament stehe.

Viele Kassenmitglieder könnten 2019 etwas stärker entlastet werden,
da der durchschnittliche Zusatzbeitrag im Vergleich zu diesem Jahr um
0,1 Punkte auf 0,9 Prozent des Bruttolohns sinkt. Die tatsächliche
Höhe ihres Zusatzbeitrags für 2019 legen die Kassen aber selbst fest.
Je nach Finanzlage dürfen sie vom Durchschnittswert abweichen. Der
Gesamtbeitrag umfasst daneben den allgemeinen Satz von 14,6 Prozent.
Unabhängig von der Debatte über die Rücklagen werden Arbeitnehmer und

Rentner 2019 deutlich entlastet, weil die Arbeitgeber künftig wieder
die Hälfte des gesamten Krankenversicherungsbeitrags zahlen müssen.

SPD-Chefin Andrea Nahles sagte, trotz der Rücklagen von 21 Milliarden
Euro bekämen die Kassen immer noch einen doppelten Beitrag von
Betriebsrentnern. «Das wollen wir ändern.» Die SPD dringt schon seit

längerem auf Änderungen an dieser «Doppelverbeitragung». Dies meint
,
dass auf Betriebsrenten der volle Krankenkassenbeitrag fällig wird -
nachdem schon beim Ansparen Beiträge auf die entsprechenden
Einkommensbestandteile gezahlt wurden. Spahn ist offen dafür.

Die Grünen warfen dem Minister Ablenkungsmanöver vor. Die Rücklagen
seien durch die gute Konjunktur entstanden und größtenteils von den
Versicherten aufgebracht worden. «Sie sollten für die dringlichen
Verbesserungen der Versorgung ausgegeben werden und nicht
hauptsächlich der Entlastung der Arbeitgeberbeiträge dienen», sagte
die Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink.

Nach den ersten neun Monaten dieses Jahres kamen die gesetzlichen
Kassen auf einen Überschuss von 1,86 Milliarden Euro. Für das
Gesamtjahr zeichnet sich demnach ein Plus von rund 2,5 Milliarden
Euro ab - nach 3,5 Milliarden Euro 2017. Kassen mit besonders großem
Finanzpolster müssen Reserven ab 2020 binnen drei Jahren abbauen.