Abhängig durch Schmerzmittel - Höchststand bei Drogentoten in USA Von Can Merey und Klaus Blume, dpa

Vor gut einem Jahr rief US-Präsident Trump den nationalen
Gesundheitsnotstand aus. Der Anlass: die Opioide-Krise in Amerika.
Sie ist noch lange nicht vorbei, wie neue Statistiken zeigen.

Washington (dpa) - Die Zahl der Drogentoten in den USA ist im
vergangenen Jahr auf einen Rekordstand gestiegen. Insgesamt 70 237
Menschen starben 2017 an einer Überdosis, wie die
US-Gesundheitsbehörde CDC meldete. Die «New York Times» berichtete am

Donnerstag, dies seien mehr Tote als in einem einzelnen Jahr durch
Autounfälle, Aids oder Schusswaffen in den Vereinigten Staaten.

Der Grund ist vor allem der starke Anstieg des Missbrauchs
synthetischer Drogen. Wie die «New York Times» schrieb, starben mehr
als 28 000 Menschen durch Fentanyle (Opioide) und ähnliche
synthetische Drogen - 2013 waren es noch 3000. Zum Vergleich: In
Deutschland starben im vergangenen Jahr 1272 Menschen an einer
Überdosis Drogen. Damit war die Zahl der Drogentoten erstmals seit
2012 wieder leicht zurückgegangen.

Der starke Anstieg bei den Drogentoten in den USA sei sogar einer der
Gründe dafür, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der
Amerikaner in den vergangenen drei Jahren erstmals seit dem Zweiten
Weltkrieg gesunken sei. «Die Vorstellung, dass eine reiche,
entwickelte Nation wie unsere eine sinkende Lebenserwartung hat,
scheint einfach nicht in Ordnung», sagte der Verantwortliche für die
CDC-Sterblichkeitsstatistik, Robert Anderson, der Zeitung.

Ein wichtiger Grund für die Krise in den USA ist, dass Ärzte in der
Vergangenheit äußerst freizügig Opioide als Schmerzmittel
verschrieben - diese Medikamente machen schnell süchtig. Als die
Rezepte ausliefen, waren Patienten häufig schon abhängig. Da Opioide
auf dem Schwarzmarkt teurer sind als Heroin, weichen viele Abhängige
notgedrungen auf diese Droge aus - spätestens dann droht ein
Teufelskreis aus Sucht und Verelendung.

Die meisten Drogentoten - 57,8 auf 100 000 Einwohner - verzeichnete
2017 der US-Bundesstaat West Virginia. Dort ist etwa Berkeley County
von der Krise betroffen. «Wir liegen auf dem Heroin-Highway», sagte
der Drogenbeauftragte des Bezirks, Kevin Knowles, zu Monatsbeginn in
Martinsburg. Wenn gestrecktes Heroin in der Großstadt Baltimore
auftauche, «wird es innerhalb von 48 Stunden unsere Gemeinde hier
treffen».

Knowles sagt, 80 Prozent der Abhängigkeiten hätten mit einem
ärztlichen Rezept für Opioide begonnen. Alle sozialen Schichten seien
von der Krise betroffen. Die meisten Ärzte seien nicht ausreichend
über das Suchtpotenzial der synthetischen Mittel informiert gewesen.
Es habe aber auch Ärzte gegeben, die die Opioide verschrieben hätten,
um Profit zu machen.

«Die allerschlimmsten Ärzte sind weg», sagt Knowles. Die Statistiken

für Berkeley County geben leichten Anlass zur Hoffnung: In diesem
Jahr lag die Zahl der Überdosen und der daraus resultierenden Toten
bis einschließlich Oktober in jedem einzelnen Monat niedriger als im
jeweiligen Vorjahresmonat.

Nach dem «New York Times»-Bericht gibt es Anzeichen, dass die Zahl
der Toten landesweit am Ende dieses Jahres unter der von 2017 liegen
wird. Die Aussicht auf einen leichten Rückgang ist für Experten aber
kein Grund zur Zuversicht. «Die Zahlen sind einfach so erschütternd»,

sagte der Universitätsprofessor und frühere Gesundheitsminister des
Bundesstaates Maryland, Joshua Sharfstein.

Angesichts der Opioide-Krise hatte US-Präsident Donald Trump bereits
im Oktober vergangenen Jahres den nationalen Gesundheitsnotstand
ausgerufen. In diesem März sprach er sich dafür aus, Großdealer mit
dem Tod zu bestrafen. First Lady Melania Trump warnte am Mittwoch vor
den Gefahren von Opioiden. Oft würden zu viele Medikamente
verschrieben, sagte sie. Auch habe sich ein Schwarzmarkt entwickelt.
«Es ist sehr gefährlich.»