He verteidigt Experimente an Babys - Zweite Schwangerschaft verkündet Von Jörn Petring und Walter Willems, dpa

Der Forscher He Jiankui hat nach eigenen Angaben die Genome von
Zwillingen manipuliert. Auf einem Kongress in Hongkong schlägt ihm
Empörung entgegen. Doch von Reue zeigt der Chinese keine Spur. Er
verkündet, dass eine zweite Frau ein genmanipuliertes Kind austrägt.

Hongkong (dpa) - Trotz scharfer weltweiter Empörung hat der
chinesische Forscher He Jiankui seine Arbeit verteidigt, die zur
Geburt der weltweit ersten genetisch veränderten Babys geführt haben
soll. Zudem teilte er am Mittwoch auf einem Genomforscher-Kongress in
Hongkong mit, dass eine weitere Frau mit einem von ihm manipulierten
Embryo im Frühstadium schwanger sei. Die Wissenschaft müsse mehr tun,
um Menschen mit Krankheiten zu helfen, sagt He. Forscherkollegen
kritisierten den Wissenschaftler heftig.

Es war der erste Auftritt des bislang weitgehend unbekannten
Forschers, seit er am Montag mit einem auf Youtube veröffentlichten
Video bei Wissenschaftlern und Ethikern für Entsetzen gesorgt hatte.
Darin hatte er die Geburt der ersten genmanipulierten Babys Lulu und
Nana verkündet. Die an Embryonen vorgenommenen Eingriffe mit der noch
jungen Genschere Crispr/Cas9 sollten die Babys, deren Identität der
Wissenschaftler geheimhalten will, demnach resistent gegen HIV
machen. Andere Experten bezweifeln den medizinischen Nutzen der
Versuche und verweisen auf Risiken für die beiden Mädchen und ihre
Nachkommen.

Eine unabhängige Bestätigung für Hes Behauptung gab es zunächst
nicht. Der Wissenschaftler betonte aber, er habe Forschungsunterlagen
bei einer Fachzeitschrift eingereicht. Gleichzeitig gab er an, seine
Forschung sei unerwartet an die Öffentlichkeit gedrungen. Dies ist
umso erstaunlicher, als He die Nachricht in einer Ansprache über
Youtube selbst verbreitet hatte - kurz vor Beginn des Kongresses.

Dort waren die Versuche das dominierende Thema. «He hat in einer
großen Halle der Universität gesprochen, und die war bis auf den
letzten Platz voll», sagte der Biochemiker Ernst-Ludwig Winnacker,
der an dem Kongress teilnahm, der Deutschen Presse-Agentur. «Er
machte einen gut vorbereiteten Eindruck und trat sehr selbstbewusst
auf.» Bei dem Vortrag wiederholte He, er habe mehrere kinderlose
Paare aus gesunder Mutter und HIV-infiziertem Vater dazu gebracht,
bei den Versuchen mitzumachen. Am Ende habe eines der Paare Zwillinge
bekommen. «Auf diesen speziellen Fall bin ich wirklich stolz», sagte
er.

He betonte, er habe zuvor erfolgreich Versuche an Mäusen und Affen
durchführt. Bei den menschlichen Embryonen hatte er nach eigenen
Angaben den sogenannten CCR5-Rezeptor von Zellen deaktiviert - das
Haupteinfallstor für das HI-Virus. «Millionen Menschen» könne
geholfen werden, wenn die Technologie schneller verfügbar gemacht
werde, argumentierte He. Ihm gehe es nicht um die Schaffung von
Designer-Babys, sondern um Heilung von Krankheiten.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verurteilte die
Genmanipulation. «Der Mensch soll nicht Gott spielen. So etwas ist
mit unseren Werten nicht vereinbar. Punkt», sagte Spahn der «Neuen
Osnabrücker Zeitung». Er forderte die Europäer dazu auf, massiv in
ethisch verantwortungsvolle Forschung und Entwicklung zu investieren.
Es gehe darum, «dem Tun der Chinesen eine ethische Forschung entgegen
zu setzen, die auf Basis unserer Werte dieselben oder bessere
Ergebnisse erzielt».

Auch Teilnehmer der Konferenz in Hongkong übten scharfe Kritik an He.
«Die Stimmung war ausgesprochen negativ», berichtete Winnacker. «Ich

habe niemanden getroffen, der die Versuche von He gut findet.» Der
US-Virologe und Nobelpreisträger David Baltimore sagte, die Arbeit
des Chinesen sei «unverantwortlich» und «medizinisch nicht
notwendig». Der Fall zeige, dass «die Selbstregulierung der
Wissenschaft» gescheitert sei.

Unterdessen erklärte auch Emmanuelle Charpentier, die die Genschere
Crispr/Cas9 maßgeblich mitentwickelt hatte, sie sei «sehr besorgt».
«He Jiankui hat eindeutig eine rote Linie überschritten, vor allem
weil er bei seiner Forschung die Sorgen der internationalen
wissenschaftlichen Gemeinschaft in Bezug auf die Editierung
menschlicher Keimbahnen ignoriert hat», teilte die Direktorin am
Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie mit. Schon am
Montag hatten sich die beiden anderen maßgeblichen Entwickler der
Genschere, die US-Forscher Jennifer Doudna und Feng Zhang,
distanziert.

Andere Forscher warfen He in Hongkong vor, mit seinen
«intransparenten» Versuchen den Ruf der gesamten Genom-Forschung
gefährdet zu haben. Der Forscher hatte offenbar weder die
chinesischen Behörden noch seine Universität in der Stadt Shenzhen
über seine Experimente informiert. Die chinesische Regierung hat nach
eigenen Angaben eine Prüfung der Versuche angeordnet.

He sagte in Hongkong, außerhalb seines Teams habe er sich nur mit
vier Personen abgesprochen, darunter ein US-Forscher und ein Mitglied
der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Auf dem dreitägigen
Kongress, der bis Donnerstag dauern sollte, wurde nach Angaben von
Winnacker eine gemeinsame Erklärung zu Hes Versuchen erwogen.