«Ich bin stolz» - Forscher He verteidigt Gen-Experimente an Babys

Der Forscher He Jiankui hat nach eigenen Angaben das Genom zweier
Kinder manipuliert. Auf einem Kongress in Hongkong schlägt ihm
Empörung entgegen. Doch von Reue zeigt der Chinese keine Spur.

Hongkong (dpa) - Trotz scharfer weltweiter Empörung hat der
chinesische Forscher He Jiankui seine Arbeit verteidigt, die zur
Geburt der weltweit ersten genetisch veränderten Babys geführt haben
soll. Die Wissenschaft müsse mehr tun, um Menschen mit Krankheiten zu
helfen, sagt He Jiankui am Mittwoch auf einem Genomforscher-Kongress
in Hongkong. Dort stellte er sich der Kritik aufgebrachter Experten.

Es war der erste Auftritt des bislang weitgehend unbekannten
Forschers, seit er am Montag mit einem auf Youtube veröffentlichten
Video bei Wissenschaftlern und Ethikern für Entsetzen gesorgt hatte.
Darin hatte er die Geburt der ersten genmanipulierten Babys Lulu und
Nana verkündet. Die an Embryonen vorgenommenen Eingriffe mit der noch
jungen Genschere Crispr/Cas9 sollten die Kinder, deren Identität der
Wissenschaftler geheim halten will, demnach resistent gegen HIV
machen. Andere Experten bezweifeln den medizinischen Nutzen der
Versuche.

«He hat in einer großen Halle der Universität gesprochen, und die war

bis auf den letzten Platz voll», sagte der Biochemiker Ernst-Ludwig
Winnacker, der an dem Kongress teilnahm, der Deutschen
Presse-Agentur. «Er machte einen gut vorbereiteten Eindruck und trat
sehr selbstbewusst auf.» Bei dem Vortrag wiederholte He, er habe acht
kinderlose Paare aus gesunder Mutter und HIV-infiziertem Vater dazu
gebracht, bei den Versuchen mitzumachen. Am Ende habe eines der Paare
Zwillinge bekommen. «Auf diesen speziellen Fall bin ich wirklich
stolz», sagte er.

He betonte, er habe zuvor erfolgreich Versuche an Mäusen und Affen
durchführt. Bei den menschlichen Embryonen hatte er nach eigenen
Angaben den sogenannten CCR5-Rezeptor von Zellen deaktiviert - das
Haupteinfallstor für das HI-Virus. «Millionen Menschen» könne
geholfen werden, wenn die Technologie schneller verfügbar gemacht
wird, argumentierte He. Ihm gehe es nicht um die Schaffung von
Designer-Babys, sondern um Heilung von Krankheiten. Zudem kündigte He
nach Angaben Winnackers an, seine Daten überprüfen zu lassen.

Teilnehmer der Konferenz übten scharfe Kritik an ihrem Kollegen. «Die
Stimmung war ausgesprochen negativ», berichtete Winnacker. «Ich habe
niemanden getroffen, der die Versuche von He gut findet.» Der
US-Virologe und Nobelpreisträger David Baltimore sagte, die Arbeit
des Chinesen sei «unverantwortlich» und «medizinisch nicht
notwendig». Der Fall zeige, dass «die Selbstregulierung der
Wissenschaft» gescheitert sei.

Unterdessen erklärte auch Emmanuelle Charpentier, die die Genschere
Crispr/Cas9 maßgeblich mitentwickelt hatte, sie sei «sehr besorgt».
«He Jiankui hat eindeutig eine rote Linie überschritten, vor allem
weil er bei seiner Forschung die Sorgen der internationalen
wissenschaftlichen Gemeinschaft in Bezug auf die Editierung
menschlicher Keimbahnen ignoriert hat», teilte die Direktorin am
Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie mit. Schon am
Montag hatten sich die beiden anderen maßgeblichen Entwickler der
Genschere, die US-Forscher Jennifer Doudna und Feng Zhang,
distanziert.

Andere Forscher warfen He in Hongkong vor, mit seinen
«intransparenten» Versuchen den Ruf der gesamten Genom-Forschung
gefährdet zu haben. Eine wissenschaftliche Überprüfung von Hes
Behauptungen gibt es bisher nicht. Zudem hatte der Forscher offenbar
weder die chinesischen Behörden noch seine Universität in der Stadt
Shenzhen über seine Experimente informiert. Außerhalb seines Teams
habe er sich nur mit wenigen Personen abgesprochen, darunter seien
Ethiker und Forscher in den USA und ein Kollege in China gewesen,
sagte He in Hongkong. Auf dem dreitägigen Kongress, der bis
Donnerstag dauern sollte, wurde nach Angaben von Winnacker eine
gemeinsame Erklärung zu Hes Versuchen erwogen.