Umfrage: Depressionen können Partnerschaften zerstören

Unter einer Depression leiden nicht nur die Betroffenen selbst,
sondern oft auch Partner und Familien. Viele empfinden das veränderte
Verhalten der Erkrankten als Zurückweisung. Das kann zu Trennungen
führen, wie eine Umfrage zeigt.

Berlin (dpa) - Eine Depression belastet Partner und Familien von
Betroffenen nach einer neuen Umfrage in hohem Maß. In fast der Hälfte
der Partnerschaften (45 Prozent) komme es aufgrund einer Depression
zu Trennungen, ergab das zweite Deutschland-Barometer Depression, das
die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und die Deutsche Bahn Stiftung
am Dienstag in Berlin vorstellten.

«Eine Depression ist oft die Ursache und nicht die Folge von
Partnerschaftskonflikten», betonte Ulrich Hegerl, Psychiater an der
Uniklinik Leipzig und Vorstandsvorsitzender der Stiftung
Depressionshilfe. Krankheitsbedingte Veränderungen wie Erschöpfung,
das Gefühl, für andere eine Belastung zu sein, Konfliktmeidung und
Schuldgefühle führten der Umfrage zufolge bei 84 Prozent der
Betroffenen zu einem sozialen Rückzug.

Angehörige könnten dieses Verhalten, das typisch für die Krankheit
sei, leicht als Zurückweisung missverstehen, sagte Hegerl. Das berge
die Gefahr, dass Partnerschaften auseinandergingen. Mit der
erfolgreichen Behandlung einer Depression kehre die Verbundenheit
aber oft zurück. Wegen der großen Auswirkung der Krankheit auf
Partner und Familien bietet die Stiftung auch spezielle Hilfsangebote
für Angehörige an.

Für das Depressionsbarometer wurden nach Angaben der Deutschen
Depressionshilfe 5000 Erwachsene zwischen 18 und 69 Jahren im Juni
und Juli online repräsentativ befragt. Eine große Mehrheit der
Erkrankten gab an, dass sie sich von ihren Partnern unverstanden
gefühlt und Vorwürfe von ihnen bekommen habe (84 Prozent). Ähnlich
viele schilderten eine Verschlechterung ihrer Beziehung zum Partner,
die sich zum Beispiel in Streit und Konflikten entlud (83 Prozent).

Fast drei Viertel der Lebenspartner von Erkrankten sprachen in der
Umfrage von Schuldgefühlen (73 Prozent), viele fühlten sich zum
Beispiel mitverantwortlich. Deutlich mehr als die Hälfte berichtete
von Streit und Konflikten mit Partnern als Folge der Erkrankung. «Die
hohe Zahl der Trennungen zeigt, was für eine tiefgreifende Erkrankung
die Depression ist», resümierte Hegerl.

Nach Berechnungen der Initiatoren erkranken rund 17 Prozent der
erwachsenen Deutschen mindestens einmal im Leben an einer anhaltenden
depressiven Störung. Ursache kann neben genetischen Komponenten eine
Stoffwechselstörung im Gehirn sein. Eine Depression gilt Ärzten
seltener als Folge von Stress oder Überforderung. Vielmehr nähmen
Betroffene ihre Umwelt durch die Krankheit wie durch eine schwarze
Brille wahr und gerieten deshalb in eine Überforderungsspirale. In
der Umfrage schilderten fast drei Viertel der Erkrankten, dass sie
als Folge ihrer Depression kaum noch eine Verbundenheit zu anderen
Menschen empfinden konnten (72 Prozent). Rund die Hälfte fühlte sich
isoliert (53 Prozent).

Nach einer Analyse des Robert Koch-Instituts zählen Depressionen zu
den häufigsten psychischen Leiden in Deutschland. Sie machten weder
Halt vor dem Alter noch vor dem sozialen Status. Was weiterhin fehle,
sei ein genaues Wissen über die Ursachen von Depressionen, sagte
Hegerl. Mehr als die Hälfte glaubte in der Umfrage, dass eine falsche
Lebensführung Ursache sei (56 Prozent). Ein knappes Drittel machte
sogar Charakterschwäche dafür verantwortlich (30 Prozent). Aber das
Wissen macht Fortschritte: Mehr als die Hälfte der nun Befragten
wusste, dass eine Stoffwechselstörung im Gehirn (59 Prozent) zu den
Hauptursachen einer Depression gehört.

In der Bevölkerung wird die Häufigkeit von Depressionen laut Umfrage
überschätzt. So glaubten die Befragten, dass 40 statt 17 Prozent
aller Bundesbürger mindestens einmal im Leben an einer Depression
erkranken. 88 Prozent waren darüber hinaus der Meinung, dass heute
mehr Menschen erkranken als vor zehn Jahren. Das ist nach
Einschätzung von Forschern nicht korrekt. Eine Zunahme lasse sich
nicht belegen, allerdings sei die Krankheit früher seltener erkannt
und diagnostiziert worden.