Arbeitsagentur-Chef gegen völligen Wegfall von Hartz-IV-Sanktionen

Vor allem in der SPD wird weiter über eine Reform oder Abschaffung
von Hartz IV diskutiert. Arbeitsminister Heil will an bestimmten
Mitwirkungspflichten festhalten. Eine SPD-Linke fordert einen ganz
besonderen Schritt von ihrer Partei.

Berlin (dpa) - In der Debatte über grundlegende Änderungen an Hartz
IV hat der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, vor
einem völligen Wegfall von Sanktionen gewarnt. «Was soll denn ein
Vermittler tun, wenn ein Arbeitsloser mehrfach nicht zum Termin
erscheint?», sagte er der «Saarbrücker Zeitung». Für eine sehr
geringe Zahl von Menschen brauche es ein Instrumentarium, «damit sich
ein Vermittler durchsetzen kann und nicht zum Bittsteller gegenüber
demjenigen wird, der eine staatliche Leistung bezieht».

Vor allem in der SPD wird über eine Reform oder Abschaffung des vom
früheren Kanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeführten Hartz-Systems

zur Grundsicherung diskutiert. Parteichefin Andrea Nahles hatte eine
«Sozialstaatsreform 2025» gefordert und angekündigt: «Wir werden
Hartz IV hinter uns lassen.» Eine neue Grundsicherung solle ein
Bürgergeld sein. Sanktionen sollten weitgehend entfallen. Grünen-Chef
Robert Habeck hat eine «Garantiesicherung» vorgeschlagen, bei der
Zwang zur Arbeitsaufnahme und Sanktionen ebenfalls wegfallen sollen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wandte sich dagegen, jede
Mitwirkungspflicht aufzuheben. «Wenn jemand zum zehnten Mal nicht zu
einem Termin beim Amt erscheint, sollte das Konsequenzen haben»,
sagte Heil dem «Tagesspiegel» (Sonntag). Zugleich kündigte er an,
bestimmte Sanktionen abzuschaffen, «die wirkungslos sind und den
Betroffenen Angst machen». Als Beispiel sagte Heil, es sei unsinnig,
dass 24-Jährige schärfer sanktioniert würden als 25-Jährige. Und au
ch
wenn die Kosten für Miete und Unterkunft gekürzt würden, verunsichere

das Menschen unnötig.

Die SPD-Linke Hilde Mattheis verlangte hingegen eine Abschaffung
aller Sanktionen und eine Entschuldigung ihrer Partei für die
Hartz-IV-Reformen. «Es gehört dazu, sich bei jenen Menschen zu
entschuldigen, die wir mit dem sozialen Kahlschlag der Hartz-Reformen
auf die Abwärtstreppe gestoßen haben.» Hartz IV treffe viele Menschen

in ihrer Würde, die hart gearbeitet und wenig gespart hätten, schrieb
sie im «Neuen Deutschland».

Behördenchef Scheele sagte der «Saarbrücker Zeitung» (Samstag) zu
den
Debatten: «Ich bin schon erstaunt, mit welcher Vehemenz von
unterschiedlichen Seiten gegen das System der Grundsicherung
polemisiert wird». Die Zahl der Übergänge von Arbeitslosen in die
Grundsicherung gehe kontinuierlich zurück. Er sehe aber durchaus
Diskussionspotenzial. «Der schnelle Übergang in die Grundsicherung
entwertet lange Arbeitsbiografien. Das wird als ungerecht empfunden.»
Darüber könne Politik nachdenken, «ohne gleich das ganze System
abzuschaffen».

In der rot-grünen Koalition von Schröder war vor rund 15 Jahren
beschlossen worden, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zur neuen
Grundsicherung Hartz IV zusammenzulegen. Derzeit liegt der Satz bei
416 Euro im Monat. Zudem wurden Sanktionen verschärft, um den Zwang
zu erhöhen, sich um Fortbildungen und neue Jobs zu bemühen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sprach sich gegen grundlegende
Umbaupläne aus. «Geld ohne Gegenleistung widerspricht meinem Bild
einer sozialen Marktwirtschaft», sagte der Kandidat für den
CDU-Vorsitz dem «Handelsblatt» (Montag). Wer arbeite, müsse am Ende
des Monats mehr Geld bekommen als jemand, der das nicht tut. «Wer an
diesem Prinzip rüttelt, gefährdet die Akzeptanz des Solidarsystems»,

so der Minister.