Kritik in CDU an Spahn-Vorstoß zu Parteidebatte über Migrationspakt

Es ist ein typischer Spahn: Der Kandidat für den CDU-Vorsitz lehnt
den UN-Migrationspakt nicht direkt ab, regt aber an, ihn in der
Partei noch einmal zu erörtern. Was halten die Parteifreunde davon?

Berlin (dpa) - In der Diskussion über den geplanten UN-Migrationspakt
stößt Gesundheitsminister Jens Spahn in der CDU auf Kritik mit seinem
Vorschlag, über eine deutsche Zustimmung erst noch auf dem Parteitag
im Dezember zu diskutieren. Mehrere christdemokratische Politiker
wiesen die Idee des CDU-Vorsitzkandidaten, das internationale
Dokument notfalls später zu unterschreiben, ebenso zurück wie von
anderen erhobene inhaltliche Bedenken gegen den Pakt.
Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann stellte sich allerdings
öffentlich hinter Spahns Forderung. Mit dem «Globalen Pakt für
Migration» wollen die Vereinten Nationen erstmals Grundsätze für den

Umgang mit Flüchtlingen festlegen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert
Röttgen (CDU), sagte der «Bild»-Zeitung (Montag): «Die Unterzeichnu
ng
des Migrationspakts notfalls zu verschieben, wäre eine doppelte
Führungsschwäche, die sich Deutschland nicht erlauben darf.» Der Pakt

sei auch «ein enorm wichtiger erster Schritt der internationalen
Gemeinschaft, Migration zu steuern».

Fraktionsvize Stephan Harbarth (CDU) bewertet das ähnlich und sagte
der Heidelberger «Rhein-Neckar-Zeitung» (Montag): «Es gibt keine
Veranlassung, etwas an dem vorgesehenen Zeitplan für den
UN-Migrationspakt zu ändern.» In Carsten Linnemann (CDU) stellte sich
ein anderer stellvertretender Fraktionschef allerdings hinter Spahn.
Er wolle beim Parteitag darüber abstimmen lassen, ob die
Bundesregierung diesem Abkommen beitreten solle, sagte Linnemann am
Montag im RBB-Inforadio. Der Chef der Mittelstands- und
Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU fügte an, ihm fehle bei dem
Vorhaben die Ausgewogenheit: «Ich glaube, insgesamt ist das ein
Loblied auf die Migration. Ich will nicht sagen, dass Migration per
se etwas Schlechtes ist (...). Aber man darf nicht blauäugig sein und
Migration so definieren, dass sie per se etwas Gutes ist.»

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte im
ZDF-«Morgenmagazin», er sei von Spahns Vorstoß überrascht. In der
vorletzten Woche hätten die Unions-Bundestagsabgeordneten drei
Stunden lang über das Thema diskutiert - «es gab eine ganz breite
Mehrheit, dass wir uns hier von populistischen Kräften nicht in
Boxhorn jagen lassen». Er habe zudem nicht den Eindruck gehabt, dass
sich Spahn bei jener Gelegenheit «in der Weise» geäußert habe wie
jetzt. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte der «Rheinischen
Post», derzeit werde «zum Teil sehr bewusst Panik erzeugt». Das trage

nicht «zur sachlichen Diskussion bei und ärgert mich». Der
UN-Migrationspakt sei kein rechtlich bindendes Dokument.

Auch der außenpolitische Fraktionssprecher Jürgen Hardt (CDU) wies
Bedenken zurück. Diffuse Ängste werden geschürt und Menschen werden
verunsichert», sagte er der «Welt» (Montag). Niemand aus den
demokratischen Parteien solle sich für so etwas hergeben. «Denn
selbst wenn sich am Ende nichts von den Sorgen bewahrheitet, bleibt
bei den Bürgern ein flaues Gefühl.»

Allerdings sehen das nicht alle in der Union so. Der
CDU-Landesverband Sachsen-Anhalt hatte auf einem Parteitag am
Wochenende die Bundesregierung aufgefordert, den Pakt abzulehnen.
Auch der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Entwicklungshilfe,
Peter Ramsauer (CSU), will den UN-Pakt «nicht mittragen». «Durch das

gesamte Dokument zieht sich eine Haltung, Migration als etwas
Normales und gar Wünschenswertes anzusehen», sagte er der «Welt».
«Das öffnet dem Flüchtlingsstrom nach Europa und nach Deutschland T
ür
und Tor.» Und: «Das Unbehagen wird in unserer Fraktion und der
CSU-Landesgruppe auf breiter Front geteilt.»

In der Bundestagsfraktion von CDU und CSU hat sich schon
herauskristallisiert, dass sie den Pakt mehrheitlich mittragen will.
Der CDU-Parteitag, auf dem Spahn das Thema debattieren will, findet
am 7./8. Dezember statt - wenige Tage vor dem geplanten
Unterzeichnungsgipfel am 10./11. Dezember. Kanzlerin Angela Merkel
(CDU) ist ebenso wie der Koalitionspartner SPD für ein klares Ja.