Druck auf Saudi-Arabien im Fall Chaschukdschi wird größer

Was hat Saudi-Arabien mit dem Verschwinden des Journalisten Dschamal
Chaschukdsch zu tun? Die US-Behörden machen Druck auf Riad. Die
Saudis beteuern ihre Unschuld.

Istanbul/Washington (dpa) - Der internationale Druck auf
Saudi-Arabien im Fall des verschwundenen saudischen Journalisten
Dschamal Chaschukdschi steigt. Nach den USA haben nun auch die
Außenminister der G7-Staaten und die EU-Außenbeauftragte Federica
Mogherini vom Königreich Aufklärung verlangt. In einer gemeinsamen
Erklärung vom Dienstag (Ortszeit) hieß es, die Verantwortlichen für
sein Verschwinden müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Man setze
auf die Zusammenarbeit der Türkei und Saudi-Arabiens und hoffe
darauf, dass das Königreich eine «gründliche, glaubwürdige,
transparente und sofortige Ermittlung» vornehme. Zu den G7-Staaten
gehören die USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Deutschland,
Japan und Italien.

Chaschukdschi war am 2. Oktober in der Türkei in das saudische
Konsulat gegangen, um dort Papiere für seine geplante Hochzeit
abzuholen. Seitdem ist er verschwunden. Die türkischen Behörden gehen
nach Medienberichten davon aus, dass Chaschukdschi im Konsulat von
einem aus Saudi-Arabien angereisten 15-köpfigen Spezialkommando
getötet wurde. Sie sollen auch im Besitz kompromittierender Ton- und
Videoaufnahmen sein. Der Journalist lebte seit mehr als einem Jahr im
selbst gewählten US-Exil und schrieb unter anderem für die Zeitung
«Washington Post» regierungskritische Artikel über Saudi-Arabien. Die

Saudis beteuern ihre Unschuld.

US-Außenminister Mike Pompeo wird nach seinem Treffen mit König
Salman in Riad an diesem Mittwoch in die Türkei weiterreisen. «Mein
Urteil nach den Treffen ist, dass es ein ernsthaftes Bekenntnis gibt,
alle Fakten zu finden und Verlässlichkeit zu garantieren, auch die
Verlässlichkeit gegenüber hochrangigen saudischen Führungsfiguren und

Beamten», hieß es in einem Statement Pompeos vom Dienstagabend.

US-Präsident Donald Trump hatte ebenfalls mit Salman sowie dessen
Sohn, Kronprinz Mohammed bin Salman telefoniert. Der Kronprinz hatte
Trump zuvor nach den Angaben des US-Präsidenten versichert, dass die
saudische Führung nichts von den angeblichen Vorkommnissen in der
saudischen Botschaft in Istanbul gewusst habe.

Die «New York Times» schrieb allerdings in der Nacht zu Mittwoch
unter anderem unter Berufung auf Gesichtserkennung, Profile in den
sozialen Netzwerken, Medienberichte und geleakte saudische
Regierungsdokumente, dass mehrere der von der Türkei identifizierten
Verdächtigen aus dem direkten Umfeld des saudischen Kronprinzen
Mohammed bin Salman stammten. Ein Verdächtiger sei gesehen worden,
wie er mit dem Kronprinzen aus Flugzeugen in Paris und Madrid
gestiegen sei, zudem sei er beim Wachestehen während seiner Besuche
in diesem Jahr in Houston, Boston und bei den Vereinten Nationen
fotografiert worden.

Drei weitere Verdächtige seien anhand von Zeugen und anderen
Aufzeichnungen dem Sicherheits-Einsatzkommando des Kronprinzen
zugeordnet worden. Der fünfte sei ein Gerichtsmediziner, der eine
hochrangige Position im saudischen Innenministerium innehabe. Die
türkischen Behörden gehen davon aus, dass Chaschukdschi von einem aus
Saudi-Arabien angereisten Spezialkommando getötet wurde. Unter der
Überschrift «15-köpfige Mörder-Truppe» wurden in der Zeitung «S
abah»,
aber später auch der Regierungszeitung «Yeni Safak» und anderen
Medien einige der Saudis namentlich identifiziert.

Die «New York Times» berichtete weiter, von den 15 von türkischen
Behörden identifizierten Verdächtigen hätten mindestens neun für
saudische Sicherheitsdienste, Militär- oder Regierungseinrichtungen
gearbeitet. Wenn diese Leute tatsächlich im saudischen Konsulat
gewesen wären zu jener Zeit, als auch Chaschukdschi dort war, gebe es
einen direkten Bezug von den Geschehnissen zum Kronprinzen.

Trump sagte am Dienstagabend (Ortszeit) in einem Interview des
US-Senders Fox Business, entscheidend sei, ob die saudische Führung
von den Vorkommnissen gewusst habe. «Wenn sie davon gewusst hätten,
dann wäre das sehr schlecht», sagte Trump.

Türkische und saudische Ermittler hatten zuvor eine neunstündige
Durchsuchung des saudischen Konsulats in Istanbul abgeschlossen und
hatten auch das Privathaus des Konsuls durchsucht. Der Diplomat war
türkischen Medien zufolge kurz zuvor nach Saudi-Arabien abgereist.

Für das Weiße Haus steht in dieser Affäre viel auf dem Spiel, da sich

Trump in seiner Nahost-Politik sehr stark auf das sunnitische
Saudi-Arabien stützt. Seit Amtsantritt des US-Präsidenten hat sich
das zuvor abgekühlte Verhältnis zwischen den beiden Partnern deutlich
verbessert. Die USA und Saudi-Arabien sehen vor allem im schiitischen
Iran einen gemeinsamen Feind, den bekämpfen wollen.

Der US-Präsident verschärfte zwar zunächst den Ton gegenüber Riad u
nd
forderte Antworten auf offene Fragen - will aber offensichtlich
dennoch die guten Beziehungen zur Führung in Riad nicht aufs Spiel
setzen. Trump äußerte die Vermutung, dass es sich möglicherweise
nicht um ein staatlich beauftragtes Mörderkommandos gehandelt habe.