In Tübingen werden künftig alternative Heilmethoden erforscht

Die Wirkung von Globuli und Co. ist umstritten - nun will die
Landesregierung die sogenannte Komplementärmedizin erforschen lassen.
Hersteller wie Wala und Weleda begrüßen den Schritt.

Stuttgart/Tübingen (dpa/lsw) - Die grün-schwarze Landesregierung
lässt 2019 den ersten Lehrstuhl für Naturheilkunde und Integrative
Medizin in Baden-Württemberg einrichten. Das hat das Kabinett am
Dienstag beschlossen. Ihren Schwerpunkt soll die Professur im Bereich
Onkologie haben. Strömungen wie Homöopathie oder Anthroposophie
sollen nicht gelehrt, aber innerhalb der Lehre beleuchtet werden,
sagte Ingo Autenrieth, Dekan der Medizinischen Fakultät in Tübingen
am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. «Ideologien und alles, was
nichts mit Wissenschaft zu tun hat, sortieren wir aus.»

Die Professur soll sich demnach mit Themen wie Ernährung, Probiotika
und Akupunktur beschäftigten. Geplant ist laut
Wissenschaftsministerium, die Lehre in Tübingen anzusiedeln; die
Erforschung der komplementären Therapien soll vorwiegend am Centrum
für Tumorerkrankungen des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart
stattfinden. Die Robert-Bosch-Stiftung finanziert die Professur in
den ersten fünf Jahren mit insgesamt 1,84 Millionen Euro, danach soll
das Land die Mittel dafür bereitstellen.

«Naturheilkunde und komplementäre Behandlungsmethoden werden von
vielen Menschen ganz selbstverständlich genutzt, beispielsweise zur
Ergänzung konventioneller Therapieangebote», begründete
Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) das Engagement.
Sogenannte sanfte oder natürliche Methoden könnten schwere
Krankheiten wie etwa Krebs alleine nicht heilen, heißt es in einer
Mitteilung des Ministeriums. Wissenschaftliche Ergebnisse zeigten
aber, dass sie häufig zu Therapieerfolgen beitragen könnten, da sie
den Patienten helfen, schulmedizinische Therapien gut zu überstehen -
etwa die schweren Nebenwirkungen von Chemotherapien mindern.

Im Gegensatz zur Schulmedizin gebe es bisher aber kaum kontrollierte
klinische Studien zur Wirksamkeit solcher Therapien, ergänzte Ingo
Autenrieth. Ihre Erforschung am neuen Lehrstuhl solle Patienten
Sicherheit bringen und ermöglichen, dass die gesetzlichen
Krankenkassen die Kosten dafür übernehmen.

Hersteller alternativer Arzneimittel loben den Schritt der Politik.
«Baden-Württemberg nimmt damit eine Vorreiterrolle in Deutschland und
in Europa ein», heißt es beim Unternehmen Wala Heilmittel GmbH in Bad
Boll. Die Landesregierung trage mit der Entscheidung dem Wunsch
vieler Patienten und Ärzte nach umfassenden Behandlungskonzepten
Rechnung.

Auch hoffen die Unternehmen, dass Licht in die oft kritische Debatte
um Homöopathie gebracht wird. «Wir sehen mit Erstaunen und Befremden,
dass eine bewährte Therapierichtung wie die Homöopathie, die Teil der
Vielfalt des therapeutischen Angebots in Deutschland ist,
diskreditiert werden soll», sagte ein Sprecher des Herstellers Weleda
AG mit Sitz in Schwäbisch Gmünd der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb
begrüße man den Lehrstuhl: «Es ist gut, dass Forschung und Lehre
ausgebaut werden, da eine Mehrheit der Bevölkerung
Komplementärmedizin wünscht und nachfragt. Es braucht Ärzte, die in
diesen Bereichen auch universitär ausgebildet werden.»

Laut Koalitionsvertrag will Baden-Württemberg künftig eine
Vorreiterrolle in der Erforschung der Komplementärmedizin einnehmen.
Bisher gab es im Südwesten mit dem Akademischen Zentrum für
Komplementäre und Integrative Medizin (AZKIM) zwar einen Verbund der
Unikliniken Tübingen, Freiburg, Ulm und Heidelberg, aber keinen
eigenen Lehrstuhl. Bundesweit existieren nach Angaben der
Hufelandgesellschaft, dem Dachverband der Ärztegesellschaften für
Naturheilkunde und Komplementärmedizin, Lehrstühle für Naturheilkunde

noch an den Universitäten Duisburg-Essen, Rostock und Witten/Herdecke
sowie drei Stiftungsprofessuren an der Berliner Charité.