Spahns Paket gegen den Kassen-Unterschied beim ArztVon Sascha Meyer, dpa

Die Abkürzung klingt fast wie ein Sportverein: TSVG. Gemeint ist aber
das «Terminservice- und Versorgungsgesetz», mit dem viele Versicherte
beim Arzt schneller zum Zuge kommen sollen - zumindest schrittweise.

Berlin (dpa) - Für viele Kassenpatienten bedeutet es Dauerfrust: Ein
Termin bei einem Facharzt ist für sie erst Monate später frei - und
Privatpatienten kommen binnen Tagen dran. Nicht immer werde so ein
Unterschied gemacht, sagt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Aber
zu oft. Dass sich gesetzlich Versicherte deswegen teils wie Patienten
zweiter Klasse fühlen, will die Politik nun aufgreifen und mit einer
Palette konkreter Maßnahmen gegensteuern - ohne das gesamte System
umzustürzen. «Ich kann nicht versprechen, dass mit Inkrafttreten
dieses Gesetzes gleich das Paradies ist», sagt Spahn. Der Ansatz des
vom Kabinett beschlossenen Pakets laute aber: «Wir machen es besser.»

Wo ist das Problem?

Lange Wartezeiten sind ein Reizthema. Ärztevertreter sprechen schon
mal von «gefühlten Problemen», was Verbraucherschützer auf die Palme
bringt und den Minister mahnen ließ. Dabei ist die Lage nicht überall
gleich, wie eine Umfrage für die Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV) gerade ergab: Auf Facharzttermine musste fast ein Drittel der
Befragten nach eigener Auskunft zuletzt mehr als drei Wochen warten.
Dagegen kam beim Hausarzt gut jeder Zweite binnen drei Tagen dran.
Bei Hals-Nasen-Ohren-Ärzten geht es schneller als bei Urologen und
Frauenärzten. Kassen-Unterschiede gibt es vor allem beim Facharzt: Da
mussten sich 34 Prozent der Kassenpatienten mehr als drei Wochen
gedulden, aber nur 18 Prozent der Privatpatienten.

Was soll sich bei den Sprechzeiten ändern?

Kassenärzte müssen 25 statt 20 Stunden in der Woche für gesetzlich
Versicherte da sein - in der Praxis oder bei Hausbesuchen. Dabei
sagen viele, dass sie das längst tun und eher mehr als 50 Stunden
arbeiten. Genau diese Ärzte sollten vor Kollegen geschützt werden,
die ihren Arztsitz eben nicht voll ausfüllen, argumentiert Spahn. Die
Kassen verweisen darauf, dass Ärzte auch Privatpatienten behandeln
oder Gutachten schreiben. Da sei es nicht übertrieben, wenn sie für
die gesetzlich Versicherten - 90 Prozent der Bevölkerung - fünf
Stunden mehr reservieren. Bei Augen-, Frauen- und HNO-Ärzten muss es
künftig auch fünf Stunden pro Woche offene Sprechzeit ohne feste
Termine geben - als eine Art Überlaufventil, wie Spahn sagt. Ärzte
warnen, das könne zu stundenlangem Rumsitzen im Wartezimmer führen.

Was ist bei der Terminvermittlung vorgesehen?

Schon seit 2016 gibt es «Terminservicestellen» der Kassenärztlichen
Vereinigungen, die Patienten telefonisch Termine bei einem Facharzt
vermitteln. Je nach Land gibt es aber andere Rufnummern. Erreichbar
sind sie mal Montag bis Freitag von 9.00 bis 12.00 Uhr und an drei
Tagen auch nachmittags - mal Montag bis Donnerstag von 8.00 bis 16.00
Uhr und Freitag nur bis mittags. Künftig soll bundesweit gelten:
Jeden Tag, rund um die Uhr, unter der Nummer 116 117. Dazukommen
sollen Online-Angebote und eine App. Zusätzlich sollen künftig auch
Termine für Haus- und Fachärzte vermittelt werden. Und zwar auch als
Kontakt zu einem Mediziner, der einen dauerhaft betreut.

Wie sollen Ärzte angespornt werden?

«Gute Versorgung kriegen wir nur mit zufriedenen Ärzten», beteuert
der Minister. Das Gesetz sieht denn auch mehr Geld für bestimmte
Leistungen vor: Zum Beispiel 5 Euro Zuschlag, wenn ein Hausarzt sich
bei der Überweisung gleich darum kümmert, dass Patienten bald beim
Facharzt drankommen. Extra honoriert werden soll auch, wenn Ärzte
neue Patienten in der Praxis aufnehmen oder in offenen Sprechstunden
behandeln. Unterm Strich könnten geschätzt rund 600 Millionen Euro
jährlich für solche Anreize zusammenkommen. Was die gesetzlichen
Kassen, die schon rund 40 Milliarden Euro Honorar zahlen, irritiert:
Mehr Geld alleine dafür, dass Ärzte in ihrer Gesamtheit Sprechzeiten
und Terminvergabe nicht länger vernachlässigen - das sei abzulehnen.

Was ist bei der Versorgung geplant?

Auch für Arztpraxen auf dem Land sind stärkere finanzielle Anreize
vorgesehen. Daneben sollen Kassen-Leistungen für Patienten erweitert
werden - etwa für Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko. Bezahlt bekommen
sollen es Versicherte künftig auch, wenn etwa wegen Krebserkrankungen
Ei- und Samenzellen für künstliche Befruchtungen eingefroren werden
sollen. Die Festzuschüsse der Kassen für Zahnersatz sollen zum
1. Januar 2021 von bisher 50 Prozent auf 60 Prozent steigen. In der
Pflege sollen auch reine Betreuungsdienste zugelassen werden, die zum
Beispiel beim Putzen oder Einkaufen helfen.