Bitte keine Berliner im bayerischen Wahlkampf Von Ruppert Mayr, dpa

Markus Söder läuft sich gerade warm für den Endspurt im bayerischen
Wahlkampf. Er ist vor allem der Mann für die Bierzelte. Und dort will
er weitgehend allein wahlkämpfen - ohne Berliner.

Anger/Berchtesgadener Land (dpa) - Markus Söder hat gerade eine
seiner Wahlkampfreden im Bierzelt in Anger im Berchtesgadener Land
gehalten. Der Applaus ist ordentlich, aber auch nicht
überschwänglich. Es ist ja auch noch nicht die heiße Phase des
Wahlkampfes. Das Bierzelt ist seine Arena, draußen, nahe bei den
Leuten. Hier will der bayerische Ministerpräsident kämpfen bis zur
Landtagswahl am 14. Oktober. Für die CSU und natürlich auch für sich.


Söder wird in den nächsten Wochen noch mächtig zulegen müssen: In
einer neuen Forsa-Umfrage für RTL/n-tv liegt die Regierungspartei in
Bayern nur noch bei 37 Prozent. Dabei sehen mehr als ein Drittel der
Wähler in Söder und der CSU das «größte Problem Bayerns». Erst

dahinter nennen die Befragten die Flüchtlinge (28 Prozent) und den
angespannten Wohnungsmarkt (26 Prozent). Andere Umfragen taxierten
die CSU zuletzt mit 38 Prozent auch nicht viel besser.

Die Opposition gibt auch nicht viel her für den Wahlkampf, so dass
man sich wenigstens mit einem veritablen Gegenkandidaten streiten
könnte, wie zuletzt mit Christian Ude von der SPD. Doch die liegt bei
12 bis 13 Prozent. Die Grünen profitieren am meisten vom Umfragetief
der CSU: Einer Online-Umfrage des Instituts Civey im Auftrag von
«Augsburger Allgemeinen» und «Spiegel online» zufolge kommen sie au
f
15 Prozent (Forsa: 17). Aber eine Koalition mit den Grünen kommt für
die CSU wohl nicht in Frage.

Sehr zum Leidwesen der CSU, die immer noch hofft, ihre absolute
Mehrheit im bayerischen Landtag verteidigen zu können, tritt im
Wahlkampf mehr und mehr die Koalitionsfrage in den Vordergrund. Mit
den Freien Wählern allein reicht es derzeit nicht, sie liegen bei 7
bis 8 Prozent. Und ob die FDP die Fünf-Prozent-Hürde schafft, ist
keineswegs sicher. Sollten Wähler tatsächlich mit Blick auf die
Koalitionsfrage ihr Kreuzchen vergeben, könnte dies der CSU noch mehr
schaden.

Was macht man in solch einer Situation? Man kann die Aussagekraft der
Umfragen in Zweifel ziehen und auf frühere Fehlleistungen etwa im
Saarland verweisen, wo bis zuletzt niemand von einem Sieg Annegret
Kramp-Karrenbauers ausging, oder in NRW, wo Hannelore Kraft
unerwartet von Armin Laschet abgelöst wurde, und dies auch noch mit
einem denkbar schlechten CDU-Ergebnis. Oder man hofft auf die
Unentschlossenen. 50 Prozent, so Prognosen, entscheiden sich erst
kurzfristig vor dem Wahltag.

Oder man macht den Zerfall der politischen Strukturen national wie
international verantwortlich. Die etablierten Parteien bekommen
heftige Konkurrenz von wenig organisierten und auf eine
Führungspersönlichkeit konzentrierten populistischen oder populären
Bewegungen; siehe etwa Frankreich mit Emmanuel Macron und der «En
Marche»-Bewegung.

Es sei noch nie so schwer gewesen, Volkspartei zu sein, wie heute,
machte Söder im Sender n-tv deutlich. Selbst die große Koalition in
Berlin würde derzeit nicht mehr auf 50 Prozent kommen. 37 Prozent
seien «der beste Wert, den eine Volkspartei in Europa überhaupt hat»,

argumentiert Söder.

Aber eigentlich ist es die AfD, die im bayerischen Wahlkampf wie ein
Menetekel über der CSU schwebt. Sie liegt laut Forsa mit 13 Prozent
auf Platz drei in Bayern, kam jedoch in den vergangenen Monaten auch
nicht mehr nennenswert weiter. Aber solange das Thema Flüchtlinge
weiter schwelt, ist auch das Thema AfD nicht erledigt.

Die Unzufriedenheit mit der Politik ist generell sehr hoch. Die
großen Probleme würden nicht angepackt - Hauptthema Flüchtlinge,
heißt es. Und da ist schnell ein Schuldiger ausgemacht: Berlin.
Parallel zu Söders Bierzeltwahlkampf wird natürlich auch in den
sozialen Medien und an der Haustür für die CSU geworben. Und hier
geben die CSU-Haustürwahlkämpfer unumwunden zu, ihre größte Angst
bestehe darin, dass ein AfD-Wähler die Tür aufmache - oder Fragen
nach Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kämen.

Söder geht auf maximale Distanz zu Berlin. Er will nicht mit denen in
einen Topf geworfen werden, die in den Augen vieler Bürger politisch
nichts auf die Reihe bekommen. Bis auf Ausnahmen wie den
konservativen CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der an diesem
Dienstag in Nürnberg zu einer Wahlkampfveranstaltung eingeladen
wurde, ist wenig Unterstützung aus Berlin vorgesehen. 

Und das gilt offenbar auch für die Spitzenleute der CSU in Berlin.
Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der zwar respektiert, aber
nicht sonderlich beliebt ist in der Partei, und Parteichef und
Bundesinnenminister Horst Seehofer sind an der Wahlkampffront kaum
eingeplant. Sie werden zu sehr mit dem die Bürger nervenden
Migrationsstreit vor der Sommerpause in Verbindung gebracht, mit dem
Söder nun möglichst wenig zu tun haben will.

«Ich möchte keine Berliner Verhältnisse im Freistaat Bayern, meine
Damen und Herren», ruft Söder im Bierzelt in Anger - und erntet damit
größten Beifall.