Das Dilemma mit der Kuh: Schweizer Rindviecher zu schwer und zu groß

Dicke Hintern, große Mäuler, riesiger Appetit: Die Schweizer Kühe
werden immer größer - und das wird zum Problem bei Ställen und
Weiden. Gesucht: die neue Schweizer Kuh.

Bern (dpa) - Viele Schweizer Kühe werden für die zarten Alpenwiesen
zu schwer, für die Ställe zu breit und für die Bauern zu gefräßig
.
Manche bringen bei mehr als 1,60 Meter Größe schon über 800 Kilogramm

auf die Waage. Das bringt unter anderem gesundheitliche Probleme mit
sich. Die Interessengemeinschaft «Neue Schweizer Kuh» propagiert nun
Tiere zu züchten, die kleiner, leichter genügsamer und gesünder sind.


Das Problem der Schwergewichte: «Viele Ställe wurden vor 25, 30
Jahren nach der damaligen Größe der Tiere gebaut», sagt Michael
Schwarzenberger, Tierzuchtlehrer am landwirtschaftlichen Bildungs-
und Beratungszentrum Arenenberg. Für heutige Kühe werde es dort oft
sehr eng, vor allem, wenn sie liegen. Zudem trampelten die schweren
Rindviecher Wiesen und Weiden kaputt, und sie brauchten nicht nur
mehr Futter für die gleiche Menge Milch, sondern auch so viel Energie
und Protein, dass sie zusätzlich Kraftfutter haben müssen.

«Die Kühe werden jährlich 0,3 Zentimeter größer - dieser Trend mu
ss
gestoppt werden», sagt der Präsident des Züchterverbandes
Swissherdbook, Markus Gerber. Züchter suchten gerne Stiere zur
Besamung aus, die möglichst ergiebige Euter versprechen. Dass bedeute
aber automatisch immer größere Tiere. «Man müsste den Zuchtwert
«Euter» weniger gewichten», so Gerber.

Die knapp 700 000 Schweizer Kühe geben im Schnitt 7500 Liter Milch im
Jahr, rund doppelt so viel wie in den 60er Jahren. Spitzenkühe kommen
auf 12 000 Liter, so Schwarzenberger. «Unser Leitbild ist eine Kuh,
die fruchtbar und gesund bleibt und bei möglichst niedrigem
Antibiotika-Einsatz das hier wachsende Grundfutter, also Gras und
Mais, möglichst effizient in Milch umsetzt.» Die «IG Neue Schweizer
Kuh» empfiehlt deshalb nun Stiere zur Besamung, die kleinere,
genügsamere und gesündere Kühe als Nachwuchs versprechen. 500 bis 600

Kilogramm Gewicht bei einer Größe von 1,40 bis 1,45 Meter sei gut.

Die Schweiz habe schon in den 90er Jahren beschlossen, in der
Landwirtschaft nicht auf maximale Leistung sondern auf mehr Ökologie
zu setzen, sagt der Sprecher des Bauernverbandes, Hans Rüssli.
Seitdem laute die Devise eigentlich: kleinere Tiere mit weniger
Appetit. «Aber die Bauern entscheiden selbst, was für sie
wirtschaftlich Sinn macht», sagt Rüssli.