Spahn schließt höhere Beiträge zur Pflegeversicherung nicht aus

In einer alternden Gesellschaft steigt der Pflegebedarf. Darüber, wie
viel die Versorgung der Pflegebedürftigen künftig kosten darf und wer
sie bezahlen soll, gehen die Meinungen auseinander.

Berlin/Münster (dpa) - Auf die Bürger könnten im nächsten Jahr
deutlich höhere Beiträge zur Pflegeversicherung zukommen.
Gesundheitsminister Jens Spahn schließt nicht aus, dass die bereits
geplante Anhebung noch stärker ausfällt als geplant. Die Pflegekassen
hielten eine Erhöhung um 0,5 Beitragssatzpunkte zum 1. Januar 2019
für notwendig, sagte der CDU-Politiker den «Westfälischen
Nachrichten». «Ich denke, diese Größenordnung ist realistisch.» V
on
der FDP und Patientenorganisationen kam Kritik, die Krankenkassen
erklärten hingegen: «Die bessere Versorgung der Pflegebedürftigen
kostet ihren Preis.»

Spahn hatte erst Mitte Juni angekündigt, dass der Satz zum 1. Januar
um 0,3 Prozentpunkte angehoben werden soll. Derzeit müssen gesetzlich
Versicherte 2,55 Prozent ihres Bruttoeinkommens zahlen, Kinderlose
2,8 Prozent. Diese Beitragsanhebung sollte nach früheren Angaben aus
Regierungskreisen jährlich 4,2 Milliarden Euro zusätzlich einbringen
und Planungssicherheit bis 2022 schaffen. Die Pflegekassen erwarten
für dieses Jahr Mehrausgaben von zwei Milliarden Euro und ein höheres
Defizit von drei Milliarden Euro.

Hintergrund ist, dass die Pflegeversicherung immer mehr Geld ausgibt
- im vergangenen Jahr waren es 38,6 Milliarden Euro. Dabei nimmt die
Zahl der Leistungsempfänger weiter zu.

Die FDP übte scharfe Kritik an den Überlegungen Spahns. Der lasse nun
die Katze aus dem Sack: «Die Pflegebeiträge werden fast um das
Doppelte steigen. Damit drohen die Sozialversicherungsbeiträge die
40-Prozent-Grenze zu überschreiten», kritisierte der stellvertretende
FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält aktuell nichts von einer
weiteren Erhöhung. Stiftungsvorstand Eugen Brysch erklärte, Spahn
habe bislang kein schlüssiges Konzept für die Altenpflege vorgelegt.
Es sei falsch, dass die Ausgaben steigen sollten, obwohl noch gar
nicht klar sei, wo «die Reise hingehen soll».

Die Krankenkassen verwiesen dagegen auf die Kosten einer besseren
Versorgung von Pflegebedürftigen. Verbandssprecher Florian Lanz sagte
der Deutschen Presse-Agentur, es wäre aber richtig, «neben der
Diskussion über die Beitragserhöhung auch über die Einführung eines

Bundeszuschusses für die Pflegeversicherung nachzudenken». Dadurch
könnte der Beitragsanstieg abgemildert und die Finanzierung der
Pflege auf mehr Schultern verteilt werden.

«Es gibt generationenübergreifend eine hohe Akzeptanz für
Mehrausgaben in der Pflege», sagte Spahn der Zeitung. «Ich werbe aber
auch bei meinem Kollegen Hubertus Heil dafür, bei der
Arbeitslosenversicherung vorhandene Senkungsspielräume zu nutzen, da
wir die Lohnnebenkosten insgesamt nicht erhöhen wollen.»

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte zuletzt angesichts
steigender Steuereinnahmen vorgeschlagen, den Beitrag zur
Arbeitslosenversicherung um 0,5 bis 0,6 Punkte zu senken.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, er halte eine Senkung
von 0,6 Prozent für möglich.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte angekündigt, den
Beitrag zum 1. Januar 2019 um 0,3 Punkte auf 2,7 Prozent senken zu
wollen. «Ich kann mir auch mehr vorstellen, etwa dass wir weitere 0,1
Prozent zeitlich befristet drauflegen», sagte der SPD-Politiker nun
den Zeitungen der «Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft». Aber nur,
«wenn die Union sich nicht weiter gegen meine
Qualifizierungsoffensive stellt». Mit dieser will Heil Weiterbildung
deutlich stärker fördern.