Experten: Viele Fußamputationen bei Diabetes wären vermeidbar

Schon eine relativ kleine Wunde am Fuß kann bei Diabetes-Patienten
lebensgefährlich werden - Amputationen sind keine seltene Folge.
Dabei könnten diese schwerwiegenden Eingriffe oft verhindert werden.

Nürnberg (dpa) - Viele der jährlich etwa 50 000 Fußamputationen wegen

Diabetes in Deutschland wären nach Medizinerangaben vermeidbar. Durch
regelmäßige Kontrollen, ein engmaschiges Therapienetz und vor allem
gute Zusammenarbeit mehrerer Experten im Krankenhaus könne das Risiko
für eine Amputation von zehn auf drei Prozent gesenkt werden, sagte
Ralf Lobmann vom Klinikum Stuttgart und Vorstandsmitglied der
Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am Donnerstag. Zu den Experten
zählte er Diabetologen, Chirurgen, Wundschwestern und
Orthopädie-Schuhtechniker. Durch die sogenannte Zuckerkrankheit
werden unter anderem Nerven an den Füßen geschädigt. Da die
Betroffenen keine Schmerzen haben, erkennen sie Verletzungen oft zu
spät und es kann zu einer Infektion oder Blutvergiftung kommen. Im
schlimmsten Fall müssen betroffene Gliedmaße abgenommen werden.

Ein Patient, der in ein Regelversorgungskrankenhaus komme, habe ein
Risiko von 10 bis 20 Prozent für eine Amputation, sagte Lobmann.
Dabei bezog er sich auf sogenannte Majoramputation, bei der das Bein
vom Fuß bis etwa zehn Zentimeter unterhalb des Knies abgenommen wird.
Dazu kämen noch viele kleine Amputationen, bei denen etwa nur ein Zeh
entfernt wird. «In einer zertifizierten Einrichtung der DDG liegt die
Amputationsrate bei Majoramputation bei 3,1 Prozent. Das können wir
anhand von über 30 000 Patientenfällen nachweisen.»

Zuletzt sei die Zahl der Amputationen zwar erfreulicherweise leicht
gesunken, sagte Lobmann. «Es sind aber immer noch zu viele.» Er
kritisierte in diesem Zusammenhang auch, dass die Vergütungen für
konventionelle - und daher meist langwierige - Behandlungen gekürzt,
die für Amputationen dagegen erhöht worden seien. Leider kämen auch
noch immer zu viele Patienten in Krankenhäuser, in denen es keine
Fachleute für die Zuckerkrankheit gebe.

Häufig begännen die Probleme mit «Bagatellen», etwa einem
verstauchten oder anderweitig verletzten Fuß oder zu engen Schuhen.
Durch ihre Krankheit nähmen viele Diabetiker «alles unterhalb des
Knies nicht mehr aktiv wahr» - auch keine Schmerzen. Zudem ist bei
Diabetes das Immunsystem beeinträchtigt und so heilen Wunden
schlechter. «Bei Diabetikern muss man daher regelmäßig auf die Fü
ße
schauen und auch ein Bagatell-Trauma ernst nehmen.» Die DDG setze
sich zudem für eine Zweitmeinung vor einer Amputation ein. «Die
meisten Amputationen sind planbar. Da ist es nicht entscheidend, ob
sie nach 24 oder 48 Stunden stattfinden.»

Laut Lobmann gibt es in Deutschland etwa acht Millionen Patienten,
bei denen Diabetes Typ II diagnostiziert wurde. Etwa 300 000 Menschen
hätten den Typ I, der auch bereits Kinder trifft.

Der Chirurg und Chefarzt Martinus Richter vom Krankenhaus Rummelsberg
stellte zudem in Nürnberg eine Therapie- und Operationsmethode vor,
mit der deformierte Füße korrigiert werden können. Die Verformungen
führen oft zu gefährlichen Wunden. Bei der OP werden lange Schrauben
in den Fuß eingesetzt, die ihn stabilisieren. In einer Studie mit 300
Patienten habe man das Risiko für eine erneute Erkrankung des Fußes
durch den Eingriff von 70 auf 15 Prozent gesenkt.