Geld für Blutspende - warum eigentlich nicht? Von Anja Sokolow, dpa

Nur etwa drei Prozent der Menschen in Deutschland spenden Blut, viele
von ihnen unentgeltlich. Dabei könnten es deutlich mehr sein. Wäre
eine angemessene finanzielle Entschädigung die Lösung? Aus Sicht
eines Medizinethikers wäre es zumindest einen Versuch wert.

Berlin (dpa) - Mit Geld könnte man aus Expertensicht mehr Freiwillige
zur Blutspende bewegen. «Es wäre durchaus angemessen, die wertvolle
Ressource Blut mit einer entsprechenden Aufwandsentschädigung zu
vergüten. Man müsste es einfach einmal ausprobieren», sagte der
Münchner Medizinethiker Georg Marckmann der Deutschen Presse-Agentur
zum Weltblutspendertag am 14. Juni. In einem zweiten Schritt könnte
man dann untersuchen, wie sich die Zahlung auf die
Spendenbereitschaft auswirke.

Nur drei Prozent der Menschen hierzulande spenden Blut. Nach den
derzeit geltenden Zulassungskriterien könnten es etwa 33 Prozent
sein. Vor allem in der Urlaubszeit oder bei Grippewellen kommt es zu
Engpässen. In Deutschland ist das Blutspenden grundsätzlich
freiwillig und unentgeltlich. Private Spendedienste,
Pharmaunternehmen und auch staatlich-kommunale Dienste zahlen aber
Aufwandsentschädigungen für Vollblutspenden.

Der größte Anbieter, das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das etwa 70
Prozent des Blutes sammelt, bietet Spendern stattdessen Snacks,
Getränke oder auch kleine Geschenke. Das DRK halte sich an einen
internationalen ethischen Kodex des Roten Kreuzes, wonach Blutspenden
unentgeltlich und freiwillig sein sollen, erklärt
Kerstin Schweiger, Sprecherin der DRK-Blutspendedienste.

«Es gibt aus ethischer Sicht durchaus einige Argumente für eine
Aufwandsentschädigung», so Marckmann, Leiter des Instituts für Ethik

an der Ludwig-Maximilians-Universität. In unserer Gesellschaft sei es
grundsätzlich zulässig, Waren und Dienstleistungen gegen Geld zu
veräußern. Deshalb müsse man nicht den Handel, sondern die
Einschränkung des Handels ethisch rechtfertigen. «Blutprodukte bieten
dem Empfänger erheblichen Nutzen bis hin zur Lebensrettung - warum
sollte der Blutspender nicht im Gegenzug eine Vergütung erhalten?»,
fragt der Wissenschaftler.

Blut sei eine knappe und wertvolle Ressource. Und Blutspendedienste
oder nachgeschalteten Firmen verdienten damit Geld, so Marckmann.
«Daher ist es einfach nur fair, wenn die Menschen, die diese
Ressource zur Verfügung stellen und dafür Zeit aufwenden, auch eine
angemessene Aufwandsentschädigung bekommen. Wie hoch diese sein
könnte, müsste man kalkulieren», so Marckmann. Er hält aber etwa 25

Euro pro Stunde durchaus für angebracht. «Wenn das Blut hinterher
kostenlos weitergegeben würde, wäre das etwas anderes. Dann wäre es
sinnvoll, auch die Spende als altruistischen Vorgang zu sehen».

Eine Blutspende dauert zwar nur etwa fünf bis zehn Minuten, doch
Spender müssen sich vorher einem Gesundheitscheck unterziehen und
mitunter auch Wartezeiten in Kauf nehmen. Laut DRK sollten sie eine
Stunde einrechnen. Deutlich länger dauern Plasmaspenden (bis etwa 45
Minuten) oder Thrombozytenspenden (bis etwa zwei Stunden). Für
letztere zahle auch das DRK eine Entschädigung, weil der Aufwand
deutlich höher sei als bei Vollblutspenden, erläutert Schweiger.

Oftmals werde das Argument angeführt, die vergütete Blutspende führe

zu einer Ausbeutung ärmerer Spender, die aus einer Notlage heraus
spendeten. Die Spender könnten zudem ein höheres Krankheitsrisiko
haben, so Marckmann. «Wenn man das Blut gut untersucht, spricht
eigentlich nichts dagegen», so der studierte Humanmediziner.

Der Arbeitskreis Blut, ein Expertengremium zu Fragen der Sicherheit
bei Blut und Blutprodukten, erklärte dazu: «Es ist wissenschaftlich
nicht nachgewiesen, dass eine Aufwandsentschädigung für Blut- und
Plasmaspender in Deutschland die Sicherheit der Blut- und
Plasmaprodukte beeinträchtigt.»

Der Arbeitskreis befürwortet eine unentgeltliche Spende. Eine
Aufwandsentschädigung für direkte Kosten, etwa für die Anfahrt und
den Zeitaufwand in einem Wert bis maximal 50 DM pro Spende werde
jedoch für gerechtfertigt erachtet und als vereinbar mit den
Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation und des Europarates
angesehen, hieß es bereits 1993 in einer Stellungnahme.

«Alle Beteiligten können profitieren - die Empfänger der
Blutprodukte, die Spendedienste und die Spender, die sich etwas dazu
verdienen können, darunter auch Studenten», so Marckmann. Die Haema
AG, der größte private Anbieter zählt schon jetzt junge Leute, zur
Hauptgruppe der Spender. 20 Euro gibt es hier für eine Blutspende. Im
Durchschnitt seien die Spender 30 Jahre alt, unter ihnen auch viele
18-Jährige. «Mit dem Konzept gelingt es offensichtlich, viele junge
Spender zu motivieren», so Sprecher Jan Noack.

Insgesamt ist die Zahl der Vollblutspenden in Deutschland rückläufig.

Während sie sich seit dem Jahr 2000 immer zwischen 4 und 5 Millionen
Spenden pro Jahr bewegte, gab es 2017 erstmals weniger als 4
Millionen Spenden, wie aus Zahlen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI)
hervorgeht. «Trotzdem stehen wir im internationalen Vergleich noch
immer sehr gut da», sagt PEI-Sprecherin Susanne Stöcker. Auch der
Verbrauch an Blut gehe zurück, da an vielen Krankenhäusern
Blut-Management-Programme für einen sparsameren Umgang sorgten.

Mit einer großen Kampagne will das DRK in diesem Jahr 100 000 neue
Spender gewinnen. Es sei wichtig, neue Bevölkerungsgruppen zu
mobilisieren. Nur so könne auch in den kommenden Jahrzehnten die
lückenlose Versorgung mit Blutpräparaten gewährleistet werden, so
Schweiger.