Telegrafie- und Fernsehpionier: 100. Todestag von Physiker Braun Von Jörn Perske, dpa

Ferdinand Braun war einer der bedeutendsten deutschen Physiker. Er
bekam 1909 den Nobelpreis für seine Verdienste um die Entwicklung der
drahtlosen Telegrafie. Zuvor erfand er die Braunsche Röhre, die
Voraussetzung für das Fernsehen. Er starb vor 100 Jahren.

Fulda (dpa) - Der Physiker und Nobelpreisträger Karl Ferdinand Braun
(1850-1918) hat viele Spuren hinterlassen. Nicht nur in seiner
osthessischen Heimatstadt Fulda, wo sein Geburtshaus heute noch
steht. Braun ging in die Weltgeschichte ein als wegweisender
Wissenschaftler. Der Technik-Tüftler erfand die nach ihm benannte
Braunsche Röhre, die früher in jedem TV-Gerät steckte. Somit war er
ein Wegbereiter des Fernsehens. Erst mit den Flachbildschirmen
verabschiedete man sich von der über 100 Jahre alten Technologie der
Braunschen Röhre.

1909 bekam Braun zusammen mit dem Italiener Guglielmo Marconi den
Nobelpreis für Physik - als Erfinder der drahtlosen Telegrafie und
Pionier der Nachrichtentechnik. Er erfand einen neuartigen Sender mit
geschlossenem Schwingkreis und strahlte damit als einer der ersten
elektrische Wellen drahtlos in eine bestimmte Richtung. In der
zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte der
Physiker zu den Vorreitern auf dem Gebiet der Funktechnik.

Am 20. April ist Brauns 100. Todestag. Er starb mit 67 Jahren während
des Ersten Weltkriegs als Zivilinternierter in New York. Seine Urne
wurde 1921 im Familiengrab in Fulda beigesetzt. Bis heute ist seine
letzte Ruhestätte zugänglich - im Ferdinand-Braun-Park.

«Braun war einer der bedeutendsten Söhne der Stadt und der einzige
Nobelpreisträger aus Fulda», sagt Thomas Heiler, Leiter des
Stadtarchivs. Dort werden Fundstücke zu Brauns Leben aufbewahrt.
Historiker Heiler zeigt eine alte, vergilbte Karte mit einer
Aufenthaltserlaubnis für Brauns USA-Visite kurz vor seinem Tod. «Er
war in die Staaten gereist um einen Streit um Patentrechte
durchzufechten», erklärt Heiler. Das war 1916.

Zwei Jahre später starb er «an den Folgen eines schweren langjährigen

Darmleidens», so eine Todesanzeige in einem Buch über Braun. Andere
Quellen sprechen von einem Sturz oder Unfall als Todesursache. Die
Gesellschaft für drahtlose Telegraphie Telefunken, deren Mitbegründer
er war, nennt ihn in der Traueranzeige einen «Pionier der
Wissenschaft und einen bahnbrechenden deutschen Erfinder».

Doch Braun hatte ein Manko. Wegen der mangelnden theoretischen
Unterfütterung seiner Forschungen habe er mit den Großen seiner Zeit
wie Max Planck oder Albert Einstein nicht mithalten können, sagt der
Leiter des Archivs des Deutschen Museums in München, Wilhelm Füßl. In

seiner Schaffensphase habe Braun lediglich 150 Veröffentlichungen mit
2456 Seiten herausgegeben. «Für eine 40-jährige wissenschaftliche
Tätigkeit ein nicht gerade überragendes Ergebnis», befindet Füßl.


Nach einer typischen Professorenkarriere entwickelte sich Braun
«kontinuierlich zu einem außerordentlich eleganten und geschickten
Experimentator», wie ihm sein Schüler Jonathan Zenneck (1872-1959)
später attestierte. Er habe die technischen Neuerungen seiner Zeit
aufmerksam beobachtet. Seine Veröffentlichungen waren allerdings von
«dezenter Kürze», wie Füßl sagt. Er präsentierte «auf zwei,
drei
Seiten die Ergebnisse einer experimentell durchgeführten Studie ohne
viel Theorie». Braun war sich dieses Defizits bewusst. «Beim
theoretischen Zurechtlegen einer Sache steckt bei mir der Haken»,
soll er laut Füßl einmal gesagt haben. Braun war eben «nicht der
große Theoretiker und Rechner», sagt Füßl.

Brauns Lebensgeschichte beginnt am 6. Juni 1850 in Fulda. Geboren
wird er als sechstes von sieben Kindern eines Beamten: Johann Conrad
Braun (1798-1878) arbeitete als Justizamtsaktuar. Brauns Geburtshaus
am Anfang der Kanalstraße nahe des Doms steht noch.

Bereits als Jugendlicher verfasste er zwischen 1864 und 1866 längere
naturwissenschaftliche Aufsätze, unter anderem über Wasser und
Kristalle. Nach Schulzeit und Abitur in Fulda studierte er ab 1868
Physik, Chemie und Mathematik an der Universität Marburg. Er
wechselte nach Berlin und promovierte 1872 mit einer Arbeit über
Saitenschwingungen.

Als Oberlehrer der Thomas-Schule in Leipzig (1874-1877) gelang ihm
1874 seine erste bedeutende wissenschaftliche Leistung: Die
Entdeckung des Gleichrichter-Effekts bei Halbleitern. Der Fuldaer
Heimatforscher Michael Mott schreibt, Braun sei für die Lehrtätigkeit
prädestiniert gewesen. Er habe komplexe Zusammenhänge gut erklären
können. Er schlug eine Universitätskarriere ein und lehrte als
Physik-Professor in Marburg, Straßburg, Karlsruhe und Tübingen.

Womit die meisten Menschen den Namen Ferdinand Braun verbinden, ist
die Braunsche Röhre, die 1897 vorgestellt wurde. In der Röhre wird
ein Elektronenstrahl erzeugt, der durch elektrische oder magnetische
Felder abgelenkt werden kann. Trifft der Strahl auf eine innen an der
Röhre angebrachte Leuchtstoff-Schicht, entsteht ein sichtbares Bild.
Das Prinzip wird auch bei Oszillografen und Computerbildschirmen
genutzt.

In Fulda finden sich weitere Erinnerungsstücke für den berühmten Sohn

der Stadt. Vor der Hochschul- und Landesbibliothek steht seit 1971
ein fünf Meter hohes bronzenes Denkmal. Zudem gibt es die
Ferdinand-Braun-Schule in Fulda. Zahlreiche Straßen sind in ganz
Deutschland nach ihm benannt. Und seit 1976 vergibt die Stadt die
gleichnamige Medaille für Leistungen um das gesellschaftliche Leben.

Braun verfasste dem Archiv-Experten Füßl zufolge nur ein einziges
Buch in seiner Laufbahn: das Kinder- und Jugendbuch «Der junge
Mathematiker». Es steht in der Tradition der volksbildenden
Literatur. Damit wollte Braun Jugendliche in die Geheimnisse der
Zahlen und Rechenkunst einzuführen.