SPD-Mann Weil vor Klausur: Merkel muss für Kabinettsdisziplin sorgen

«Flitterwochen sehen anders aus», sagt Niedersachsens
Ministerpräsident über die ersten GroKo-Wochen. Er mahnt vor der
Kabinettsklausur mehr Teamgeist an - und sieht nach dem jüngsten
Koalitionsärger besonders die Kanzlerin in der Pflicht.

Berlin (dpa) - Nach dem holprigen Start der großen Koalition haben
führende SPD-Politiker ein Machtwort von Kanzlerin Angela Merkel
(CDU) gefordert. «Flitterwochen sehen anders aus», sagte
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil der Deutschen
Presse-Agentur kurz vor der Kabinettsklausur. Was beispielsweise die
Minister Horst Seehofer (CSU) und Jens Spahn (CDU) machten, empfinde
er nicht in erster Linie als Affront gegenüber dem Koalitionspartner
SPD, sondern gegenüber Merkel. «Meine Hoffnung ist, dass die
Bundeskanzlerin selbst dafür sorgt, dass die Regierung zügig an die
Arbeit geht und auch als Team auf dem Platz steht.»

Innenminister Seehofer hatte mit seiner Aussage «Der Islam gehört
nicht zu Deutschland» für eine Kontroverse gesorgt, Merkel
distanzierte sich von dem Satz. Gesundheitsminister Spahn löste unter
anderem mit Kritik an rechtsfreien Zonen in Deutschland Debatten aus.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte dem «Handelsblatt», Merkel
müsse dafür sorgen, dass sich die Unionsminister endlich auf ihre
Arbeit konzentrierten, statt sich in Überschriften zu überbieten.
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles betonte in den «Tagesthemen» der
ARD: «Ich erwarte jetzt einfach, dass die Regierung auch da mal in
die Puschen kommt und die Sachen, die wir verabredet haben, umsetzt.»

Das Kabinett kommt am Dienstag (14.00 Uhr) zu einer zweitägigen
Klausur im brandenburgischen Schloss Meseberg zusammen. Merkel will
mit ihren 15 Ministern von CDU, CSU und SPD ein Arbeitsprogramm für
die nächsten Monate festzurren. Finanzminister und Vizekanzler Olaf
Scholz (SPD) will den geplanten Bundeshaushalt skizzieren. Erklärtes
Ziel ist es, wie stets seit 2014 einen Haushalt ohne neue Schulden
(«Schwarze Null») vorzulegen. Der Entwurf soll bis Ende April stehen.

Ziel der großen Koalition ist es etwa, deutlich mehr Menschen in
Arbeit zu bringen, auch durch eine milliardenschwere Offensive mit
Lohnzuschüssen und Qualifizierungsmaßnahmen für rund 150 000
Langzeitarbeitslose. Zudem will die Koalition mehr für die Schaffung
und Sicherung von Arbeitsplätzen auf dem Land tun. Als Gäste sind
hierzu der Präsident des Arbeitgeberverbands, Ingo Kramer, und der
Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, eingeladen.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, sagte
der dpa, sein Verband erwarte vor allem mehr Investitionen in
ländliche Infrastrukturen, insbesondere in eine schnelle
Internetversorgung. FDP-Chef Christian Lindner kritisierte in der
«Rhein-Neckar-Zeitung» (Dienstag), die Pläne der Koalition, von der
Mütterrente bis zum Bildungspaket, seien nicht finanziert. «Ein
Grundproblem der Methode Merkel ist, dass politische Unterschiede
durch Geld überwunden werden sollen.» Zu den Islam-Äußerungen
Seehofers sagte Lindner der «Passauer Neuen Presse»: «Offenbar hat
der Dämon der Leitkultur von der CSU Besitz ergriffen. Herr Seehofer
sollte sich als Verfassungsminister auf dem Boden des Grundgesetzes
bewegen. Wenn es eine vernünftige Einwanderungspolitik gäbe, müsste
man nicht solche nutzlosen symbolischen Debatten führen.»

Wenn sich die Kabinettsmitglieder auf dem rund 60 Kilometer nördlich
von Berlin gelegenen Schloss Meseberg treffen, erwartet die Politiker
ein frühlingshafter Anblick. «Der Barockgarten wird das ganze Jahr
gepflegt - jahreszeitlich bedingt blühen zur Zeit frühe Narzissen»,
sagte ein Regierungssprecher auf Anfrage.

Das Schloss ist seit 2007 das offizielle Gästehaus der
Bundesregierung. Dort werden nun auch EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg
erwartet. Themen werden die Rolle der EU in der Welt und eine
stärkere Kooperation mit Afrika sein, sowie die bessere Sicherung der
Grenzen in Europa. Am Mittwoch werden Merkel und Scholz über die
Klausur-Ergebnisse informieren.