Der schwierige Abschied vom Zucker Von Erich Reimann, dpa

Zu viel Zucker ist ungesund - das weiß jeder. Große
Lebensmittelhändler wollen daher den Zuckergehalt in ihren
Eigenmarken reduzieren, um Fettleibigkeit und Diabetes vorzubeugen.
Doch Verbraucherschützern reicht das nicht.

Düsseldorf (dpa) - Deutschlands Lebensmittelhändler haben dem Zucker

den Kampf angesagt - zumindest ein bisschen. Allein der Handelsriese
Rewe will in diesem Jahr bei rund 100 Eigenmarken-Produkten neue
zuckerreduzierte Rezepturen einführen. Und Rewe ist damit nicht
einmal der Vorreiter. Der Discounter Lidl etwa hatte schon Anfang
2017 angekündigt, den Anteil an zugesetztem Zucker und Salz in seinen
Eigenmarken um je 20 Prozent verringern zu wollen - allerdings erst
bis 2025. Auch Edeka und Aldi schrauben an ihren Rezepturen.

Der Hintergrund ist klar: Die Deutschen essen zu viel Zucker. Die
Folgen sind oft genug Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck. Doch
der Kampf gegen den übermäßigen Zuckerkonsum ist mühsam. Auch weil
es
für Verbraucher gar nicht so einfach festzustellen ist, wie viel
Zucker sie wirklich zu sich nehmen. Nur der geringste Teil wird
bewusst als Würfelzucker, Kandis oder Kristallzucker konsumiert. Ein
weit größerer Teil steckt in den Produkten der Lebensmittelindustrie.

Für Lebensmittelhändler ist die Zuckerreduzierung bei Schokopuddings,
Fruchtjoghurts, Cerealien und Erfrischungsgetränken eine
Gratwanderung. Denn selbst wenn sie etwas für die öffentliche
Gesundheit tun wollen, so fürchten sie sich doch davor, ihre Kunden
mit neuen Rezepturen zu verschrecken. Letztlich lasse sich die
«gelernte» Geschmackserwartung nur über einen längeren Zeitraum
ändern, heißt es im Handel. Man müsse dem Kunden Zeit geben, sich auf

die veränderten Zusammenstellungen einzurichten.

Rewe geht das Problem in dieser Woche offensiv an - mit einer
werbeträchtigen Mischung aus Marktforschung und Marketing. Der
Handelsriese bietet seinen Kunden unter dem Motto «Wie viel Zucker
brauchst Du noch?» einen Schokopudding im Viererpack an. Doch enthält
nur ein Becher den üblichen Zuckeranteil, bei den anderen Portionen
ist der Zuckergehalt um 20, 30 und im vierten Becher sogar um 40
Prozent reduziert. Im Internet können die Verbraucher darüber
abstimmen, welche Variante am Ende in die Regale kommt.

Rewe-Einkaufschef Hans-Jürgen Moog geht davon aus, dass am Ende bei
der Abstimmung eine der zuckerreduzierten Varianten gewinnen wird.
Doch macht er auch deutlich: «Wenn die Kunden am Ende die
Originalrezeptur wollen, werden wir dem entsprechen. Wir wollen die
Zuckerreduktion nicht auf Kosten des Geschmacks machen.»

Der Ernährungsexperte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg
sieht das Engagement der Handelsketten deshalb mit gemischten
Gefühlen. Prinzipiell sei es natürlich zu begrüßen, wenn die
Unternehmen versuchten mitzuhelfen, den Zuckerkonsum zu senken. Doch
reiche dies bei weitem nicht aus.

Hier sei der Gesetzgeber gefordert, meint Valet. Notwendig sei eine
klare Ampel-Kennzeichnung bei Lebensmitteln, die dem Verbraucher auf
den ersten Blick ermögliche, den Zuckergehalt eines Produkts
einzuordnen. Schließlich mache auch eine kräftige Reduzierung des
Zuckergehalts aus einer Kalorienbombe noch keinen gesunden Snack:
«Wenn man in ein hochgezuckertes Müsli 20 Prozent weniger Zucker
reintut, wird es nicht viel gesünder.»

Oliver Huizinga von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch geht
noch einen Schritt weiter. Er verlangt: «Die Politik muss
Rahmenbedingungen für alle setzen. Dabei geht es nicht nur um die
Zuckerreduktion und die Kennzeichnung des Zuckergehalts in
Lebensmitteln, sondern auch um die Werbung für stark zuckerhaltige
Artikel - besonders wenn sie auf Kinder zielt.»