Organspenderzahlen sinken auf niedrigsten Stand seit 20 Jahren

Das erste Mal seit rund 30 Jahren gibt es in Deutschland weniger als
zehn Organspender pro einer Million Bundesbürger. Für die Stiftung
Organtransplantation ist das eine dramatische Entwicklung.

Berlin (dpa) - Die Zahl der Organspender in Deutschland hat 2017
einen neuen Tiefpunkt erreicht. Nach den Statistiken der Deutschen
Stiftung Organtransplantation (DSO) gab es nur 797 Spender, 60
weniger als im Vorjahr. Das ist der niedrigste Stand seit 20 Jahren,
teilte die Stiftung mit. Im Vergleich anderer Europäischer Länder
steht Deutschland sehr schlecht da.

«Leider werden wir erstmals unter die Marke von zehn Spendern pro
eine Million Einwohner rutschen. 2017 sind es 9,7», sagte Axel
Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO. In der Historie der Stiftung
sei das, gerechnet ohne die Anfangsjahre der Organspende vor mehr als
30 Jahren, noch nie passiert. «Im internationalen Vergleich war
Deutschland bisher im unteren Mittelfeld. Jetzt stehen wir im
Vergleich fast hinter allen anderen westeuropäischen Ländern. Das ist
eine dramatische Entwicklung», ergänzte er. Die DSO-Zahlen beziehen
sich auf die bis zum vergangenen Mittwoch registrierten Organe für
2017 ohne Lebendspenden.

Rahmel sieht die Gründe für den Rückgang der Spenderzahlen in
Deutschland weniger in der mangelnden Bereitschaft der Bevölkerung.
Eine Ursache sei die enorme Leistungsverdichtung in den Kliniken. Er
wünscht sich zudem Verbesserungen in der Organisation der rund 1250
Kliniken in Deutschland, die zum Organspende-System gehören. So habe
zum Beispiel Bayern 2017 Transplantationsbeauftragte erstmals für
ihre Aufgabe freigestellt. Die Organspenderzahlen in Bayern seien
2017 um 18 Prozent gestiegen - der höchste Wert unter allen
Bundesländern.

Die Entwicklung der Organspenderzahlen in Deutschland war 2017
regional insgesamt sehr unterschiedlich. Während neben Bayern auch
Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland eine Zunahme der Spender
verzeichneten, ging der Bundestrend generell zurück. Da einem Spender
mehrere Organe entnommen werden können, meldete Deutschland 2017 laut
DSO insgesamt 2594 Nieren, Lebern, Lungen oder Herzen an die
internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant. 2016 waren es noch
2867 Organe. Eine Altersgrenze für Organspender gibt es nicht.

Weltweit führend im Bereich Organspende ist nach eigenen Angaben
Spanien mit 46,9 Spendern pro eine Million Einwohner im Jahr. Das
bedeute eine Steigerung um acht Prozent seit 2016 und sei eine
weitere neue Bestmarke, teilte das spanische Gesundheitsministerium
vergangene Woche mit. Dort gilt die Widerspruchslösung: Menschen
müssen es explizit dokumentieren, wenn sie gegen eine Organentnahme
nach ihrem Tod sind. Nach Angaben der «Süddeutschen Zeitung» stehen
auch Belgien und Kroatien mit mehr als 30 Organspendern pro eine
Million Einwohner weit vorne.

Deutschland steht über Eurotransplant beim Organaustausch im Verbund
mit Belgien, Kroatien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Ungarn
und Slowenien. Laut Rahmel besteht keine Gefahr, dass Eurotransplant
Deutschland wegen der niedrigen Spenderzahlen ausschließt. Durch die
hohe Bevölkerungszahl sei Deutschland immer noch ein Land, das in
absoluten Zahlen mehr Organe als andere Länder zum Verbund
beisteuere.

«Obwohl im letzten Jahr für Werbung und Organisation mehr als
100 Millionen Euro ausgegeben wurden, liegt die Organspende am
Boden», kritisierte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung
Patientenschutz. Dennoch werde das Thema in dem Sondierungspapier von
Union und SPD mit keinem Wort erwähnt. Angesichts von 10 000
Schwerstkranken auf der Warteliste sei dringender Handlungsbedarf
angezeigt. So gehöre das Transplantationssystem in staatliche Hände,
forderte Brysch. Nur so könne das Vertrauen in der Bevölkerung und
bei den Klinik-Medizinern wiederhergestellt werden.