Angst vor der Schweinepest: Wildschweinen geht es an den Kragen Von Annett Stein, dpa

Die Afrikanische Schweinepest droht auf Deutschland überzugehen. Für
Wildschweine hierzulande ist das schon jetzt schlecht: Wesentlich
mehr der Tiere als bisher sollen vorbeugend abgeschossen werden.

Berlin (dpa) - Bauern- und Jagdverband haben von der Politik eine
erleichterte Jagd auf Wildschweine gefordert, um ein Übergreifen der
Afrikanischen Schweinepest auf Deutschland zu verhindern. «Bund und
Länder müssen zeitnah handeln, um den Jägern eine konsequente
Reduktion zu vereinfachen», sagte Werner Schwarz, Vizepräsident des
Deutschen Bauernverbandes (DBV), am Freitag bei einer Pressekonferenz
in Berlin. Es müsse Aufwandsentschädigungen für Jäger für erlegte
s
Schwarzwild geben. Zudem sollten die Regelungen in den Staats- und
Bundesforsten geändert werden, in denen es teilweise monatelange
Jagdruhen gebe.

Der Deutsche Jagdverband (DJV) appellierte an Jäger, vor allem junge
Wildschweine zu erlegen, die maßgeblich zur Fortpflanzung beitrügen.
«Noch ist das Virus nicht in Deutschland, doch je weniger
Wildschweine pro Fläche leben, desto geringer ist im Ernstfall
zumindest über Wildtiere die Ausbreitungsgefahr», erklärte
DJV-Präsidiumsmitglied Wolfgang Bethe. Der Bauernverband hält zudem
für wesentlich, eine Verbreitung über kontaminierte Lebensmitteln zu
verhindern.

Die Afrikanische Schweinepest tritt seit 2014 in den baltischen
Ländern und in Polen auf, davor gab es Nachweise in der Ukraine,
Weißrussland und Russland. Im Juni vergangenen Jahres wurde der
Erreger erstmals auch bei Wildschweinen in Tschechien gefunden. Das
Virus ist für Menschen ungefährlich, bei Haus- und Wildschweinen aber
verläuft die Erkrankung fast immer tödlich. Einen vorbeugenden
Impfstoff gibt es nicht.

Der Bauernverband betrachte die Ausbreitung nach Westen mit «größter

Sorge», hieß es vom DBV. «Deutschland gehört weltweit zu den Länd
ern
mit der höchsten Wildschweindichte.» Eine Einschleppung würde demnach

bedeuten, dass Deutschland kein Schweinefleisch aus der Tiermast mehr
in Länder außerhalb der EU exportieren könne. Dieser Handel sei aber

sehr wichtig, da solche Staaten Teile wie Pfoten, Ohren und Speck
nachfragten, die von deutschen Verbrauchern nicht verzehrt würden.
Zudem drohe ein dramatischer Preisverfall für Schweinefleisch.

Im zurückliegenden Jagdjahr hatten Deutschlands Jäger 589 417
Wildschweine erlegt oder sie verendet gefunden (4 Prozent), wie der
Jagdverband am Freitag mitteilte. «Das ist der vierthöchste Wert seit
Beginn der Aufzeichnungen in den 1930er Jahren.» Derzeit liege der
Bestand im Frühjahr bei geschätzt 300 000 bis 450 000 erwachsenen
Wildschweinen, sagte Torsten Reinwald, Sprecher und stellvertretender
Geschäftsführer des Verbandes. «Ohne Jagd würde der Bestand jedes
Jahr um rund 250 Prozent anwachsen: Dort, wo heute 100 Schweine
leben, wären es im darauffolgenden Jahr 350.»

70 Prozent der Wildschweine in Deutschland müssten abgeschossen
werden, hatte DBV-Vizepräsident Schwarz der «Rheinischen Post»
(Freitag) gesagt. Auch die Tötung von Muttertieren und Frischlingen
müsse erlaubt werden. Agrarminister Christian Schmidt (CSU) stimmte
zu. «Eine intelligente Reduzierung des Wildschweinbestandes spielt
eine zentrale Rolle bei der Prävention», sagte er. Auch die
Schonzeiten für Wildschweine müssten aufgehoben werden.

Der Jagdverband forderte mehr Schneisen vor allem in Maisfeldern für
höhere Abschusszahlen. Solche 15 bis 20 Meter breiten Streifen in den
Feldern erleichterten die Jagd erheblich, sagte DJV-Sprecher
Reinwald. Schon bei der bevorstehenden Aussaat im Frühjahr sollten
Landwirte gezielt Jagdschneisen mit Wildkräutern statt Mais anlegen.

Dabei sei auch die Politik gefragt, betonte Reinwald. Derzeit legten
viele Landwirte wegen bürokratischer Hürden keine Schneisen an.
Würden auf den Streifen Wildkräuter ausgesät und Ende Juli für
Biogasanlagen geerntet, bringe das Landwirten, Jägern, Brutvögeln und
Insekten etwas. «Die Wildschweine gehen Ende Juli in den Mais, dann
helfen die kahlen, hellen Streifen beim Abschuss», erklärte Reinwald.
Die Streifen gälten aber nicht mehr als ökologische Vorrangflächen,
wenn sie abgeerntet würden. Zudem müssten Landwirte die Gesamtfläche

der Schneisen oft exakt angeben, was viel Rechnerei bedeute. «Die
Politik muss da Lösungen präsentieren.»

Fallen müsse auch eine weitere bürokratische Hürde, forderte
Reinwald: das Jagdverbot in vielen Naturschutzgebieten. «Gerade in
Schilfflächen stapeln sich Wildschweine förmlich und vermehren sich.»

Die Umweltschutzorganisation WWF hält das nicht für sinnvoll. «Der
Ruf nach Jagd in Naturschutzgebieten ist purer Aktionismus und lenkt
von den Ursachen der großen Bestandsdichte von Wildschweinen ab»,
sagte Moritz Klose, Wildtierexperte beim WWF Deutschland. Die Zahlen
gingen durch die Decke, seit der großflächige Anbau von Mais und Raps
stark zugenommen habe. «Jagd allein wird den Bestand weder
kurzfristig noch dauerhaft ausreichend senken», betonte Klose. «Wir
brauchen wieder mehr Vielfalt in den Anbauflächen und deutlich
weniger Mais- und Rapswüsten.»

Auch Reinwald vom Jagdverband sieht im Wandel der Landwirtschaft eine
Hauptursache für die größeren Bestände. «Der Getreideertrag pro
Fläche ist heute fast dreimal so hoch wie vor etwa 60 Jahren.» Das
bedeute dreimal mehr kalorienreiches Futter für Wildschweine. «Zudem
hat sich die Anbaufläche von Raps und Mais um etwa das 26-Fache
vergrößert.»