Krieg der Hörnchen: Wie die Briten um das rote Eichhörnchen kämpfen Von Sarah Wagner, dpa

In Großbritannien gelten die einst eingebürgerten Grauhörnchen als

Plage, bald schon könnten sie die heimischen roten Eichhörnchen
komplett verdrängt haben. Die Briten haben harte Maßnahmen ergriffen,
um die Population zu retten.

London (dpa) - Grauhörnchen sind in London allgegenwärtig.
Spaziergänger im St. James's Park nahe des Buckingham-Palasts müssen
nicht lange warten, bis eines der niedlichen Tiere ihren Weg kreuzt.
Doch viele Briten mögen die kleinen Wuschel gar nicht. Die aus
Nordamerika stammenden Grauhörnchen haben dafür gesorgt, dass rote
Eichhörnchen, wie sie auch in Deutschland vorkommen, in weiten Teilen
des Landes verschwunden sind. Mehrere Initiativen wollen die Invasion
der Grauhörnchen nun mit teils rabiaten Methoden stoppen.

Alles begann, als britische Adlige Ende des 19. Jahrhunderts
Grauhörnchen nach Großbritannien brachten, um sie in den Parks ihrer
Herrenhäuser anzusiedeln. Die Tiere breiteten sich rasant aus - und
verdrängten ihre einheimischen, rötlichen Verwandten.

Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) unterscheiden sich abgesehen von
der Fellfarbe von ihren europäischen Cousins (Sciurus vulgaris) vor
allem in ihrer Statur: Sie sind größer und kräftiger. Zudem haben sie

im Winter keine Ohrpinsel. Experten gehen davon aus, dass die roten
Eichhörnchen in etwa 35 Jahren landesweit verschwunden sein könnten.

Manchmal gibt es zumindest Lichtblicke. So teilte die
Umweltorganisation Trees for Life kürzlich mit, dass sich die rote
Art im Hochland von Schottland wieder ausbreitet. Die im vergangenen
Jahr im Nordwesten wieder angesiedelten Tiere eroberten ihre
Umgebung. «Das könnte eine Erfolgsstory werden», hofft Trees for
Life. Aber: Es sind erste Beobachtungen, gezählt wird erst im
nächsten Frühjahr.

«Der Grauhörnchen-Bestand wird heute auf 2,5 Millionen geschätzt,
während es noch etwa 140 000 Eichhörnchen gibt», sagt Cathleen Thomas

von Red Squirrels United, einer Organisation, die sich der Rettung
der roten Eichhörnchen verschrieben hat. Ein Nebeneinander beider
Hörnchenarten sei nicht möglich, erklärt die Ökologin. «Grauhör
nchen
tragen einen Pockenvirus in sich. Während sie selbst keine Symptome
zeigen, können Eichhörnchen innerhalb von zehn Tagen daran sterben.»


Die Rettung der roten Eichhörnchen ist den Briten eine
Herzensangelegenheit. Auch die Royals mischen mit: «Das rote
Eichhörnchen ist eines der absolut bezauberndsten und
unwiderstehlichsten einheimischen Säugetiere Großbritanniens»,
schwärmt Prinz Charles. Er könne «den Gedanken nicht ertragen», das
s
die Tiere eines Tages verschwänden. Der Thronfolger unterstützt eine
Initiative, die die Grauhörnchen mit Fallen dezimieren will.
Gefangene Tiere werden medikamentös unfruchtbar gemacht.

Andere Initiativen verfolgen rabiatere Ansätze. Cathleen Thomas von
Red Squirrels United berichtet von einer Aktion, bei der die
Grauhörnchen gefangen und auf «humane Weise» getötet werden. Vor
allem in den letzten Rückzugsgebieten der rötlichen Art, etwa in
Nordengland, sollen Freiwillige zugewanderte Grauhörnchen melden. Wer
sich das zutraut, kann sich für das Töten der Tiere ausbilden lassen.

Für John Bryant von der Tierschutzorganisation Humane Wildlife
Deterrence Association ist das Unsinn. Er findet, der Mensch solle
nicht in den Wettkampf der Arten eingreifen. Auch die roten
Eichhörnchen seien vor langer Zeit nach Großbritannien eingewandert,
meint er. «Ich denke, die Menschen wollen zurück zu den sogenannten
'guten, alten Zeiten', als alles hier noch britisch war.»

In Deutschland sind die roten Eichhörnchen noch nicht gefährdet. Zwar
wurden Grauhörnchen in Norditalien beobachtet. Vorkehrungen, um sie
von der Wanderung nach Deutschland abzuhalten, seien aber noch nicht
notwendig, sagt Stefan Bosch vom Naturschutzbund Baden-Württemberg.
Jedoch sei das Importieren und Aussetzen gesetzlich streng verboten.

Für getötete Grauhörnchen lässt sich übrigens durchaus Verwendung

finden: Einige Restaurants setzen die Tiere auf ihre Speisekarte. So
das «The Jugged Hare» in London - allerdings nur gelegentlich, da
«die Nachfrage nicht groß» sei, erzählt eine Mitarbeiterin. Bei dem

Unternehmen The Wild Meat Company, wo man Grauhörnchen-Fleisch
bestellen kann, gelten die Nager hingegen als Verkaufs-Hit. «Die
Tiere sind bei uns sehr beliebt», sagt Firmensprecherin Annabel
Warne.