Wer nachahmt, macht sich beliebt Von Oliver Beckhoff, dpa

Ob Kunstfälschung, plagiierte Doktorarbeit oder penetrantes Nachäffen
unter Kindern: Nachmachen steht in keinem guten Ruf. Doch es kann
auch Positives bewirken, wie eine psychologische Studie zeigt.

Berlin (dpa) - Wer andere beim Kennenlernen nachahmt, macht sich
beliebt - zumindest innerhalb des eigenen Geschlechts. Zu diesem
Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie der Freien
Universität Berlin und der Uni Leipzig. Demnach gibt es «soziale
Chamäleons»: Menschen, die andere besonders häufig nachahmen. «In
unserer Studie konnten wir zeigen, dass dieses Nachahmungsverhalten
zu einer höheren Beliebtheit dieser sozialen Chamäleons führte»,
erklärt die Psychologin Helén Liebermann von der Freien Universität
Berlin.

In einer Analyse mit insgesamt 139 Teilnehmern untersuchten die
Wissenschaftler in nach Geschlechtern getrennten Kleingruppen, wie
sich das unterbewusste Nachahmen von Verhaltensweisen,
Körperhaltungen, Gesten, Gesichtsausdrücken oder Sprache -
Fachbegriff: soziale Mimikry - auf das Kennenlernen auswirkt. Wie
stark die Teilnehmer ihr Gegenüber beim Kennenlernen nachahmten,
werteten die Forscher anhand von Videomitschnitten aus.

Im Versuch begegneten sich die Mitglieder der Kleingruppen zu kurzen
Kennenlerngesprächen. Davor und danach sagten die Teilnehmer, wie
sympathisch sie die jeweiligen Gesprächspartner fanden. Kandidaten,
die ihre Gesprächspartner schon nach dem ersten Eindruck sympathisch
fanden, übernahmen während des Gesprächs zudem häufiger
Verhaltensweisen oder Ausdrücke. 

«Durch Mimikry teilen wir unbewusst mit, dass wir jemanden mögen und
können damit unsere eigene Beliebtheit steigern», nennt Maike Salazar

Kämpf von der Universität Leipzig den Grund für die Zunahme: Wer
ohnehin schon Sympathie empfindet, lässt sich stärker auf sein
Gegenüber ein.

Unterbewusstes Nachahmen kann so anscheinend dabei helfen, Bindungen
zu anderen Menschen aufzubauen. Doch es hat auch Kehrseiten, wie
Wissenschaftler der Uni Leiden im niederländischen Enschede 2009 in
einem Versuch herausfanden. Menschen, die andere nachahmen, können
demnach von anderen leichter getäuscht werden.

In ihrer Studie mit 92 Teilnehmern bildeten die Wissenschaftler zwei
Gruppen. Die Mitglieder der ersten Gruppe erhielten einen kleinen
Geldbetrag, den sie selbst einsteckten oder für einen wohltätigen
Zweck spendeten. Anschließend gaben sie Angehörigen der zweiten
Gruppe - mal wahrheitsgemäß, mal unwahr - Auskunft darüber, was s
ie
mit ihrem Geld gemacht hatten.

Die Zuhörer wurden nochmals geteilt. Eine Hälfte bekam die Aufgabe,
nachzuahmen. Die andere Hälfte sollte dies bewusst vermeiden.
Anschließend mussten die Zuhörer bewerten, ob man ihnen die Wahrheit
erzählt hatte. Dabei schätzten die Teilnehmer, die auf Nachahmung
weitgehend verzichteten, ihre Gesprächspartner meist realistischer
ein.

«Mimikry macht es uns leichter zu verstehen, was andere fühlen»,
schreiben die Wissenschaftler um Psychologin Marielle Stel, heute Uni
Enschede, zunächst ganz allgemein. Wo aber das Verhalten des
Gesprächspartners nicht zu dessen wahren Emotionen passe, sei es
umgekehrt: «Im Fall irreführender Botschaften verhindert Mimikry
dieses emotionale Verstehen.»