FDP für flexible Arbeitszeit - Kritik von Linken und Gewerkschaften

«Arbeit 4.0» in einer digitalisierten Welt verlangt Anpassungen, sagt
selbst die bisherige Arbeitsministerin Nahles. Doch die
FDP-Vorschläge gehen Linken und Gewerkschaften offenbar zu weit.

Berlin - Die FDP ist mit ihrem Vorstoß für eine flexiblere Regelung
von Arbeitszeiten auf Widerstand bei Linken und Gewerkschaften
gestoßen.

Fraktionsvizechef Michael Theurer hatte der «Bild»-Zeitung (Montag)
gesagt: «Das Arbeitszeitgesetz ist nicht mehr zeitgemäß und muss
flexibler werden.» Es sollte an die EU-Arbeitszeitrichtlinie
angepasst werden. Diese sieht statt einer täglichen Höchstarbeitszeit
von durchschnittlich acht Stunden eine wöchentliche Maximaldauer von
durchschnittlich 48 Stunden vor - das wären acht Stunden mehr als
jetzt, allerdings einschließlich Überstunden.

CDU, CSU, FDP und Grüne hatten bei ihren Sondierungen für eine
Jamaika-Koalition erkennen lassen, dass sie mit Blick auf die
Digitalisierung der Arbeitswelt das Arbeitszeitrecht modernisieren
wollen. Schützenhilfe bekamen sie in der vergangenen Woche vom
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung. Auch dieser plädierte für eine Reform des
Arbeitszeitgesetzes. Angesichts fortschreitender Digitalisierung der
Arbeitswelt müsse es flexibilisiert werden, um die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu gewährleisten.

Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sprach von einem
Frontalangriff auf Arbeitnehmerrechte. Es sei «ein Schlag ins Gesicht
aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass Union, FDP und Grüne
die Aufweichung der gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit ernsthaft
in Erwägung ziehen.» 1,8 Milliarden Überstunden, steigende Profite,
stagnierende Reallöhne für die Hälfte der Arbeitnehmer seit
Jahrzehnten, zunehmende Altersarmut und rasant wachsender Reichtum
der Multimillionäre zeigten, «dass eine Weiter-so-Politik der
Schwarzen Ampel eine neue Giftinjektion für den sozialen Frieden
wäre».

Verdi-Chef Frank Bsirske verwies auf massive Arbeitsverdichtung in
vielen Betrieben und fügte hinzu: «Also das Bild, dass da vier
Stunden im Büro rumgesessen wird ... und man hier doch mit mehr
Flexibilität dafür sorgen soll, dass dann abends noch nachgearbeitet
werden kann, scheint mir ein absolutes Zerrbild.» In diesem
Zusammenhang müsse auch der Arbeits- und Gesundheitsschutz betrachtet
werden.

Der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, sagte der dpa:
«Wer für mehr Flexibilität den Acht-Stundentag abschaffen will,
verkennt die Realität. Die Unternehmen arbeiten heute bereits auf
Basis unserer Tarifverträge hoch flexibel, klassische
Nine-to-five-Jobs gibt es vielerorts gar nicht mehr. Außerdem lässt
das Arbeitszeitgesetz schon jetzt eine Arbeitszeit von bis zu zehn
Stunden am Tag zu.» Die Erfassung von Arbeitszeit müsse dringend
geregelt werden. Eine Befragung der IG Metall, an der sich 680 000
Beschäftigte beteiligt haben, mache deutlich: «Mehr als 96 Prozent
lehnen Änderungen an diesem Gesetz ab.»

Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-
Gaststätten (NGG), Guido Zeitler, nannte den Vorstoß der sogenannten
Wirtschaftsweisen «zynisch». Das Arbeitszeitgesetz ermögliche schon
jetzt sehr flexible Arbeitszeiten, erklärte Zeitler. Die Hälfte der
1,8 Milliarden Überstunden pro Jahr blieben unbezahlt. Laut aktuellem
Mikrozensus arbeiten in allen Branchen bereits jetzt gut 4,1
Millionen Menschen an Sonntagen - 2,7 Millionen sogar nachts.

Zudem will die FDP in der voraussichtlich letzten Woche der
Jamaika-Sondierungen eine Senkung der Sozialbeiträge um bis zu 0,7
Prozentpunkte durchsetzen. «Wenn man es intelligent macht, können die
Menschen und Unternehmen in Deutschland insgesamt um bis zu zwölf
Milliarden Euro über Beitragssenkungen entlastet werden», sagte
Theurer. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung könnten um 0,5
Punkte und die zur Kranken- und Pflegeversicherung um je 0,1 Punkte
gesenkt werden.