Gutenberg-Gesundheitsstudie: Neue Gene für Erkrankungen gefunden Von Doreen Fiedler, dpa

Keine andere bevölkerungsbasierte medizinische Studie in Europa ist
nach Angaben der Mainzer Uni größer: 15 000 Menschen haben die
Forscher für ihr Mammutprojekt von oben bis unten durchleuchtet. Mit
spannenden Ergebnissen.

Mainz (dpa) - Mit Hilfe einer Biodatenbank von mehr als 15 000
Rheinland-Pfälzern haben Wissenschaftler der Unimedizin Mainz neue
Gene für Erkrankungen identifiziert. «Das geht von der Herzschwäche
bis zur Verkalkung von Gefäßen, von Augenerkrankungen bis zum
Bluthochdruck und vom Diabetes bis zur Nierenfunktion», sagte Philipp
Wild, Leiter der Gutenberg-Gesundheitsstudie, der Deutschen
Presse-Agentur. Am Donnerstag wurden die Ergebnisse erstmals breit
präsentiert - laut Wild «ein ganzer Brockhaus».

Für das Mammutprojekt sind Menschen aus dem Großraum Mainz im Alter
zwischen 35 und 74 Jahren gemessen und untersucht worden - vom Blut
über Tränenflüssigkeit bis zum Zahntaschenabstrich wurden ihnen daf
ür
zahlreiche Proben genommen und Röntgenbilder gemacht. «Dann wurde
geschaut: Weswegen sind die Menschen anders, wie unterscheiden sie
sich genetisch», sagte Wild. Wer die Mechanismen von Krankheiten
verstehe, könne die Krankheiten besser behandeln. Dank der Studie
seien zum Beispiel neue Cholesterinsenker entwickelt worden.

Ein weiteres Ziel der Gutenberg-Gesundheitsstudie war es, Normwerte
von Körperstrukturen und -funktionen zu ermitteln. Also zum Beispiel,
wie groß eine Herzkammer und wie dick die Hornhaut von Augen
normalerweise sind. Oder auch, wie die Nierenwerte bei der
Durchschnittsbevölkerung liegen. «Also: Was ist normal?», erläute
rte
Wild. «Wenn jemand von der Norm abweicht, ist es immer ein Hinweis
darauf, dass ein krankhafter Prozess im Körper abläuft.»

Eine so detaillierte Studie wie die repräsentative Erhebung der
Mainzer Wissenschaftler von 15 000 Menschen gebe es in Europa bisher
nicht. In vielen Bereichen der Medizin arbeite man mit sehr kleinen
Datensätzen, die außerdem ausschließlich auf Daten von gesunden
jungen Menschen beruhen. «Dann macht man das zum Maßstab auch für
ältere Menschen - was natürlich nicht richtig ist», sagte Wild. Weil

der Mainzer Datensatz so groß sei, könnten Normwerte für Menschen
verschiedenen Geschlechts und Alters ermittelt werden.

Die Studie begann vor zehn Jahren, aber die Auswertung dauert bis
heute an. Außerdem wurden die Probanden in regelmäßigen Abständen
befragt, woran sie in der Zwischenzeit erkrankt sind  - oder es wurde
notiert, dass sie verstorben sind.

In Zukunft wollen die Forscher der Unimedizin die Biodatenbank
erweitern, um noch präziser das individuelle Risiko für die
Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs-, Augen- und
Stoffwechselerkrankungen sowie Erkrankungen des Immunsystems und der
Psyche früher vorhersagen zu können. Dafür werden nun 5000 weitere
Menschen in die Datenbank aufgenommen - auch jüngere und ältere
Teilnehmer. Die Finanzierung ist nun bis 2022 gedeckt. «Es wäre
fahrlässig, das Ganze jetzt zu beenden», meinte Wild.