Beitragshoffnung zum Jamaika-Start - Beginnt 2018 mit Entlastungen? Von Basil Wegener und Ruppert Mayr, dpa

Eine gute Milliarde weniger Beitragsgeld für die Krankenkassen - ja
oder nein? Es läuft darauf heraus, dass die Kassen-Mitglieder das
Geld behalten können. Doch das letzte Wort hat der
Gesundheitsminister.

Berlin (dpa) - Paukenschlag bei der gesetzlichen Krankenversicherung:
Die Beiträge der 54 Millionen Kassenmitglieder könnten - anders als
bisher - im kommenden Jahr im Schnitt leicht sinken. Mit Spannung
wird nun erwartet, ob Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die
Vorgabe des zuständigen Schätzerkreises tatsächlich umsetzt.

Zwei Tage saßen Zahlenexperten seines Ministeriums, des
Bundesversicherungsamts und des Krankenkassen-Spitzenverbands in Bonn
zusammen. Doch zu einer gemeinsamen Prognose kamen sie nicht.
Ministerium und Versicherungsamt gehen davon aus, dass den Kassen das
Geld auch noch reicht, wenn der durchschnittliche Zusatzbeitrag um
0,1 Prozentpunkte sinkt.

Dieser allein von den Versicherten zu schulternde Beitragsteil
beträgt heute 1,1 Prozent vom Bruttoeinkommen. Zusammen mit dem von
Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam getragenen Teil würde der
Kassenbeitragssatz 2018 dann bei 15,6 Prozent im Schnitt landen.

Nun sind 0,1 Prozentpunkte weniger für den Einzelnen nicht viel - bei
3000 Euro Einkommen wären 3 Euro weniger zu zahlen. Für die
Krankenversicherung insgesamt macht es jedoch immerhin 1,2 Milliarden
Euro aus.

Die Kassen wollten sich der Prognose des Regierung deshalb nicht
anschließen - sie halten eine Senkung für nicht sachgerecht. Sie
begründen dies im Schätzerkreis mit einer Prognose der Kassenausgaben
für dieses und das kommende Jahr, die um 1,9 Milliarden Euro über der
Vorhersage von Ministerium und Versicherungsamt liegt.

Nun ist die Lage aber von Kasse zu Kasse unterschiedlich. Sinkt der
Beitrag im Schnitt, wächst der Wettbewerbsdruck auf die
vergleichsweise schlecht dastehenden Versicherungen. Den
Zusatzbeitrag legt jede Kasse selbst fest. Kassen in Finanznot
könnten die Senkung nicht mitmachen oder müssten gar erhöhen. Die
Beitragsschere zwischen finanziell gut und schlechter aufgestellten
Kassen könnte weiter auseinandergehen. Der Ärger bei Letzteren ist
umso größer, als sie sich vom Finanzausgleich zwischen den Kassen
benachteiligt sehen.

Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Mit Spannung
wird nun erwartet, was Gröhe macht. Sein Ministerium bestimmt den
durchschnittlichen Zusatzbeitrag nach Maßgabe des Schätzerkreises bis
1. November.

Gröhe dürfte bei der Prognose seiner Ministerialen bleiben und
absenken. Es könnte ein politisches Signal zum Start der
Koalitionsverhandlungen mit FDP und Grünen sein, dass der Druck bei
den Sozialkassen doch kleiner ist als vielfach befürchtet. Wenn die
Beiträge auf aktuellem Niveau blieben, würde er sich oder seinem
Nachfolger im Amt die Arbeit aber erleichtern. Das Geld der
Krankenkassen würde nicht so schnell wieder knapp.

Die FDP will einen Deckel bei den Sozialausgaben - steigende Beiträge
sind den Liberalen wie den Arbeitgebern ein Graus. Für die Grünen
dürfte ein zehntel Prozentpunkt den Kohl nicht fett machen - sie
dringen auf eine Rückkehr zur völligen Parität, also zur gleichen
Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Harte
Jamaika-Verhandlungen stehen im Sozialen so oder so bevor.

Für Gröhe ist die Welt erstmal in Ordnung - hatten die Kassen ihm
doch immer wieder vorgeworfen, mit seinen Reformen zugunsten von
Ärzten und Kliniken stabile Finanzen aufs Spiel zu setzen. «Die
Krankenkassen - auch wenn sie sich der Einschätzung leider nicht
anschließen konnten - haben weiterhin gute Spielräume, ihre
Versicherten mit hochwertigen Leistungen bei attraktiven Beiträgen zu
unterstützen», sagt er nun.

Die Betriebskrankenkassen schimpfen dagegen. «Ich halte nichts vom
Beitragssatz-Jo-Jo», sagte der Chef ihres Dachverbands, Franz Knieps.
«Offenbar haben politische Erwägungen den Ausschlag gegeben, dem
kurzfristigen Absenken Priorität vor der längerfristigen Stabilität
der GKV-Finanzen einzuräumen.»