Forscher wollen menschliche Sinne digitalisieren

Kameras zum Sehen und Mikrofone zum Hören: Nun wollen Forscher auch
mehr über Geruchs- und Geschmackssinn wissen - und digitale Systeme
entwickeln, die diese Sinne nachahmen können.

Erlangen/Freising (dpa/lby) - Forscher der Fraunhofer-Institute in
Erlangen und Freising wollen mehr über die menschlichen Sinne
erfahren - um diese später digitalisieren zu können. Sie sehen viele
Anwendungsfelder etwa für Medizin, Handel und Arbeitsschutz. So
könnte es künftig technische Assistenzsysteme für Menschen geben, die

ihren Geruchssinn verloren haben oder Diagnose-Hilfen zur Erkennung
von Krankheiten, wie Andrea Büttner vom Fraunhofer Institut in
Freising sagt. Auf einem neuen «Campus der Sinne» wollen dafür
Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen wie Ingenieurwissenschaft,
Medizin, Chemie und Neurowissenschaft zusammenarbeiten. Am Freitag
(15. September) wird der Campus in Erlangen vorgestellt.

Ob der Duft von Lavendel, Knoblauch oder Schokolade - jeder Mensch
nehme Gerüche anders wahr, sagt die auf Aromaforschung spezialisierte
Lebensmittelchemikerin Büttner. «Man hat noch gar nicht verstanden,
dass Menschen so unterschiedlich wahrnehmen.» Der Campus solle daher
zunächst viel Grundlagenforschung betreiben zu den menschlichen
Sinnen - und wie diese zusammenwirken.

Später könnten dann technische Systeme entwickelt werden, die das
Schmecken oder Riechen imitieren - ähnlich wie das bereits beim Sehen
und Hören möglich ist, durch Kameras und Mikrofone. Bisherige
Sensorsysteme, die Gerüche analysieren, seien «noch sehr
unausgereift», sagt Büttner - etwa Apps zum eigenen Körpergeruch oder

«elektronische Nasen», die den idealen Röstgrad von Kaffee bestimmen

sollen. «Wir sind weit entfernt davon, dass das Riechen oder
Schmecken in maschinelle Systeme übersetzt werden.»

Noch gebe es daher keinerlei Assistenzsysteme für Menschen, die ihren
Geruchssinn etwa durch eine Krankheit verloren haben. Weil sie
dadurch Alarmsignale etwa bei verdorbenen Lebensmitteln wie Schimmel-
oder Fäulnisgeruch nicht wahrnehmen können, litten sie öfter als
andere Menschen unter Lebensmittelvergiftungen. Auch Ärzten könnten
solche Systeme helfen, Krankheiten früher zu erkennen, sagt Büttner.
«Seh- und Hörtests sind schon bei Kindern üblich, Geruchs-Tests
dagegen nicht.» Parkinson-Patienten beispielsweise litten oft unter
einer Riechstörung. Und manche Krankheiten wie bestimmte Krebsarten
könne man tatsächlich riechen.

Auch im Arbeitsschutz spiele das Thema eine Rolle, sagt Büttner.
Genauso wie Lärm könnten zu intensive oder lang anhaltende Gerüche am

Arbeitsplatz Stress und Kopfschmerzen verursachen - etwa in
Parfümerien oder auf Baustellen. «Es gibt Grenzwerte für Schadstoffe,

aber nicht für Gerüche», sagt Büttner.

Für Unternehmen seien zudem Methoden interessant, mit denen neue
Produkte getestet werden können. «Bei Lebensmitteln und Parfümen
kommt sehr viel auf den Markt, das dann floppt. Man weiß aber oft gar
nicht, warum es die Leute nicht annehmen», sagt Büttner. Denn auch
Probanden lögen zuweilen bei Befragungen. «Ihr Gesicht sagt etwas
anderes als ihr Wort. Wir sind daher an der spontanen Reaktion
interessiert.» Jens-Uwe Garbas vom Erlanger Fraunhofer Institut und
sein Team nutzen dafür beispielsweise eine Kamera und Software, die
Emotionen im Gesicht von Testpersonen erkennen kann.