Forscher halten Gentechnik-Baukästen für harmlos, aber verboten Von Kristina Wienand, dpa

Dank der Entdeckung einer neuen Genschere sind Gen-Experimente nun
einfacher und günstiger geworden. Baukästen enthalten das nötige
Equipment für Tests zu Hause. Aber man kann sich strafbar machen.

Hannover (dpa) - Pipetten, Petrischalen, Mikro-Zentrifuge und
Bakterienstämme. Was viele Menschen an den Chemieunterricht erinnert,
hält seit einiger Zeit als Set in amerikanischen Wohnzimmern Einzug.
Die Rede ist von Gentechnik-Baukästen, die ab etwa 150 Euro via
Internet bestellt werden können. Auch Laien können damit Bakterien
gentechnisch verändern. Während Politiker vor dem Experimentieren mit
den Mini-Labors warnen, haben Zellforscher weniger Bedenken. Die
Gentechnik-Gesetze seien bundesweit sehr streng und die Kits
enthalten keine krankheitserregenden Bakterien, sondern harmlose im
Labor gezüchtete Stämme. Das sagen Zellforscher aus Deutschland.

Mit den Labors für Zuhause könnten Nutzer mithilfe des sogenannten
Crispr-Cas-Systems - einer molekularbiologischen Methode, um die
DNA gezielt zu schneiden und dauerhaft zu ändern - auch Bakterien
manipulieren. Damit lässt sich etwa deren Farbe verändern. «Die
Experimente, die mit den Kits möglich sind, sind harmlos, allerdings
verstoßen sie gegen Gentechnik-Gesetze», erklärt Toni Cathomen,
Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin und Gentherapie am
Universitätsklinikum Freiburg.

Auch die teils mitgelieferten aus einem Labor stammenden
Bakterienstämme seien ungefährlich. Selbst wenn die E.coli-Bakterien
genetisch verändert werden, könnten sie in der Umwelt schwer
überleben, erläutert der Molekularbiologe. Das Bakterium kommt in der
Natur im Darm von Menschen und Tieren vor. Entsprechende Laborstämme
des Bakteriums sind in der Umwelt allerdings kaum überlebensfähig.

Um für den Menschen gefährliche Bakterien zu produzieren, benötigt
man nach Ansicht Cathomens ohnehin mehr Fachwissen. «Das kann kaum
aus Versehen passieren», erklärt der Professor. Dem stimmt auch
Theresia Stradal, Leiterin der Abteilung Zellbiologie am Helmholtz
Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, zu. «Wenn
jemand das Fachwissen hat, macht es keinen Unterschied, ob derjenige
ein Gen-Kit zur Verfügung hat oder nicht.»

Die Professorin am HZI weist wie ihr Fachkollege Cathomen darauf hin,
dass solche Experimente mit genetischem Material am heimischen Herd
nicht erlaubt sind. «Die Gesetze in Deutschland sind sehr eindeutig
und streng», erklärt Stradal. Der Umgang mit gentechnisch veränderten

Organismen sei bundesweit nur im Labor und unter bestimmten Auflagen
erlaubt. Das gelte für krankheitserregende Bakterien wie für harmlose
Stämme wie Hefe.

Auch das Bundesamt für Verbraucherschutz weist darauf hin, dass das
Experimentieren mit den Gentechnik-Baukästen «möglicherweise
strafbar» ist - und zwar dann, wenn sie gentechnisch veränderte
Organismen enthalten oder wenn diese damit erzeugt werden. Forscher
in Labors müssten Anträge schreiben, damit die zuständigen
Landesbehörden ihre Experimente genehmigten. In Labors gelten
unterschiedliche Sicherheitsstufen, je nachdem, wie gefährlich die
Bakterien und Viren sind, an denen geforscht wird.

Die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter in Niedersachsen haben nach
Angaben des Umweltministeriums jedoch noch mit keinem Fall zu tun
gehabt, indem sie Strafen verhängt haben, weil jemand zu Hause
gentechnische Experimente ausprobierte.

Trotzdem bestehe beim Experimentieren mit den Mini-Genlaboren die
Gefahr, dass jemand durch unhygienisches Verhalten «einfach ziemlich
viele, ziemlich hässliche Erreger vermehrt», sagt Zellforscherin
Stradal. Das sei möglich, wenn Hobbyforscher eine Kulturplatte mit
Bakterien nähmen und vom eigenen Körper oder verdorbenen
Lebensmitteln einen Bakterienabstrich kultivierten. Aus wenigen
Bakterien könnten so schnell Milliarden werden. Aus Versehen könne
man sich selbst und seine Familie krank machen. «Das sind aber keine
Epidemien, die entstehen», betont Stradal.

Vor Verunreinigungen warnte auch schon Niedersachsens Umweltminister
Stefan Wenzel. Der Grünen-Politiker forderte vor drei Monaten in
einem Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU),
die Gentechnik-Baukästen aus den USA nicht in die Hände von Laien und
Kindern zu geben. Der Handel mit den Kästen müsse vielmehr verboten
werden. «Diese Kästen müssen vom Markt genommen werden, um die Gefahr

einer Ansteckung, Vermehrung oder Freisetzung von Krankheitserregern
oder gentechnisch veränderten Krankheitserregern zu verhindern»,
findet der Grünen-Politiker.

Den Verkauf der Kits via Internet verhindern könne man wohl nicht,
vermutet Stradal. «Aber ein Hinweis darauf, dass man sich damit in
Deutschland strafbar macht, sollte schon dabei liegen», empfiehlt
sie. «Das gentechnische Verändern von Organismen ist - egal wie
harmlos oder sinnlos die Veränderungen sind - nur im Labor unter
Auflagen erlaubt.»