Auf, auf zum fröhlichen Jagen - Ingrid Nolls «Halali» Von Frauke Kaberka, dpa

In der Zeit des Wirtschaftswunders: Zwei junge Frauen sind auf
Männerjagd. Sie geraten ihrerseits ins Visier der Männerwelt. Ingrid
Noll schlägt in ihrem neuen schwarzhumorigen Krimi «Halali» eine
Brücke zwischen den 50er Jahren und der Gegenwart.

Zürich (dpa) - Ingrid Noll hat zum «Halali» geblasen. Was das
bedeutet, ist wohl jedem Fan der bekannten Krimi-Autorin («Die
Apothekerin») klar: Toughe Frauen hat das Jagdfieber gepackt. Und
natürlich haben sie Männer im Visier. Doch im Unterschied zu früheren

Romanen spielt die neue Geschichte mit dem Signal-Titel nicht hier
und heute, sondern überwiegend in der Vergangenheit. Genauer gesagt:
in den 50er Jahren. Und in der früheren bundesdeutschen Hauptstadt
Bonn.

Holda, eine ältere Dame, erzählt ihrer Enkelin Laura im Stil von 1001
Nacht von ihrer wahrlich nicht langweiligen Jugend. Hübsch, wie sich
Holda, genannt Holle, im kurzweiligen Dialog mit Laura über neu- und
altmodische Begriffe, Lebensbedingungen, Gepflogenheiten, Anstand und
Sitte der jeweiligen Generation und deren moralische Grenzen
austauscht. Noch besser, mit welcher Leichtigkeit - oder
Skrupellosigkeit - Holda und ihre Freundin Karin genau diese
seinerzeit überschritten haben.

Einmal mehr ein Beweis dafür, dass die 81-jährige Noll nichts von
ihrem schwarzen Humor verloren hat und ihren Traum von aufregenden
Abenteuern, Ausbrüchen aus der Normalität und Verletzungen von Tabus
weiterhin literarisch auslebt. So also lässt die Autorin, deren Werke
bisher in 27 Sprachen übersetzt wurden, Holda und Karin Dinge
erleben, die keiner den beiden jungen Damen, die als Sekretärinnen im
Innenministerium arbeiten, zutrauen würde.

Denn die Mädchen - kaum volljährig - haben eigentlich dasselbe Ziel
wie fast alle Altersgenossinnen ihrer Zeit: einen guten, möglichst
betuchten Mann finden, heiraten und Kinder kriegen. Wenn es auch bei
der aus einer blaublütigen Familie stammenden Karin möglichst schon
ein Botschafter sein sollte. Im Innenministerium erhoffen sich beide
die richtigen Kontakte, was leider ein Trugschluss ist. In den
Nachkriegsjahren sind ledige Männer, wenn nicht gerade kriegsversehrt
und traumatisiert, doch ziemlich rar.

Und der eine, der verfügbar wäre, ist das männliche Pendant zu einer

grauen Maus: der Jäger. Zumindest heißt er so, bei Laura und Karin
auch «der Jäger aus Kurpfalz», denn er stammt tatsächlich aus der
Pfalz. Und ist Objekt der täglichen Lästereien. Zu allem Überfluss
zieht er auch noch als Untermieter bei der Gräfin ein, Karins Tante,
bei der auch sie ein Zimmer hat. Wider Willen laufen die Mädchen dem
Jäger nun noch öfter über den Weg, als ihnen - und sicher auch ihm -

lieb ist.

Der Jäger ist ein Einzelgänger und menschenscheu. Und so trifft es
die Mädchen wie ein Blitz, als sie ihn mit einem seltsamen Mann
beobachten, der kurze Zeit später tot aus dem Rhein gefischt wird.
Das ist der eigentliche Beginn einer haarsträubenden Geschichte, die
man durchweg lächelnd liest - obwohl es außer diesem Toten noch
weitere geben, wie immer die Moral über Bord geworfen und auch mal
die große Politik gestreift wird.

Im gewohnt unschuldig-lässigen Plauderton berichtet Noll alias Holda
von Ausbrüchen aus der Bürgerlichkeit, die man ganz unverbrämt auch
als Verbrechen bezeichnen kann, die teilweise auch durchaus
nachvollziehbar sind, aber weder damals noch heute als
Kavaliersdelikte durchgehen würden. Doch gerade das macht die
Noll-Krimis aus: die scheinbare Zwangsläufigkeit einer strafbaren
Handlung und eine bei den Lesern geweckte Empathie dafür.

Sie wolle weder moralisieren noch eine Ideologie vertreten, sondern
einfach nur gut unterhalten, rechtfertigt die in Baden-Württemberg
lebende Autorin die meist ungesühnten Taten ihrer Protagonisten.
Außerdem sei Verständnis vielleicht ein erster Schritt, nicht allzu
unbarmherzig zu urteilen. Ihre Bücher seien Menschengeschichten mit
kriminellen Überraschungen, «schließlich will ich beim Schreiben auch

Spaß haben». Den wird Noll, die hier sicher ein Stück eigene
Vergangenheit mit eingearbeitet hat, auch bei «Halali» gehabt haben.

Vom Leser ganz zu schweigen: Junge Frauen, die der Spießigkeit der
50er Jahre zu entfliehen suchen, sich über Konventionen und Gesetze
hinwegsetzen, ein Handlungsrahmen, der eine Brücke von den Anfängen
des deutschen Wirtschaftswunders bis zum digitalen Zeitalter schlägt,
und schräger Humor in allen Schattierungen sind eine gut bekömmliche
Mischung und sorgen ganz einfach für gute Laune.