«Wenn es hoch kommt, haben wir drei gute Freunde» Interview: Ulrike von Leszczynski, dpa

An Freundschaften hängen viele Ideale - und oft scheitern sie
schneller als Partnerschaften. Doch noch nie waren sie so
alltagstauglich wie heute, sagt der Psychologe Wolfgang Krüger.

Berlin (dpa) - Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste,
was es gibt auf der Welt? Stimmt, sagt Buchautor Wolfgang Krüger, der
seit Jahren über das Thema forscht, vor dem Internationalen Tag der
Freundschaft am 30. Juli. Freundschaften machten nicht nur
glücklicher und gesünder, sie seien heute oft auch belastbarer als
früher. Luft nach oben bleibt trotzdem.

Frage: Warum sind Freundschaften so wichtig?

Antwort: Wir haben zwei Schwachpunkte im Leben - Einsamkeit und
Unsicherheit. Wir brauchen nicht nur eine Partnerschaft, sondern ein
soziales Dorf. Gerade in Krisenzeiten brauchen wir auch die
Anerkennung und die Rückmeldung von Freunden. Wir leben in einer
Zeit, in der die Bedeutung von Freundschaften von Jahr zu Jahr
wächst. Denn wir wollen Beziehungen haben, die gleichzeitig
verlässlich sind und frei gewählt.

Frage: Wie viele wirklich gute Freunde hat ein Mensch?

Antwort: Wenn es hoch kommt: drei. Darüber hinaus pflegen wir rund
zwölf Durchschnittsfreundschaften. Das sind Menschen, die man zum
Geburtstag einlädt und die ein bisschen mehr über einen wissen. Alles
andere sind Bekannte mit einer gewissen Form von Innigkeit wie
Nachbarn oder Kollegen.

Frage: Hängt die Anzahl der Freunde mit dem Lebensalter zusammen?

Antwort: Es gibt das grundsätzliche Phänomen, dass die Anzahl der
Freundschaften ab dem 23. Lebensjahr ständig sinkt. Wir gehen davon
aus, dass wir alle zehn Jahre einen Freund verlieren und keinen neuen
hinzugewinnen. In den frühen Jahren mit Schule, Ausbildung oder Uni
begegnen uns viele Menschen, die noch nicht gebunden und auf der
Suche nach Freunden sind. Je älter wir werden, desto mehr Verankerte
treffen wir - Menschen in Partnerschaften oder mit festen
Freundeskreisen. Da wird es schwieriger, andere zu gewinnen. Doch je
älter wir werden, desto qualitativ besser werden Freundschaften, weil
wir an Menschenkenntnis dazugewinnen, an Toleranz und an Humor.

Frage: Woran scheitern Freundschaften?

Antwort: Es gibt in Deutschland einen großen Unterschied bei
Investitionen in Liebe und Freundschaft. Freundschaften sind immer
nur die kleine Schwester der Liebe, für sie ist weniger Zeit und
Fantasie reserviert. Sobald es Konflikte gibt, sind viele ratlos. In
Partnerschaften haben wir Modelle bis hin zu Geigen am Strand. Bei
Freundschaften gibt es meist einen sehr hehren Anspruch, aber der
Alltag sieht anders aus. Nur 70 Prozent der Freunde reden über ihre
Partnerschaften, nur 50 Prozent über Sexualität und nur 30 Prozent
über Geld. Und das größte Problem von Freundschaften ist Langeweile.


Frage: Im Filmklassiker «Harry und Sally» heißt es: Männer und Frau
en
können keine Freunde sein. Da kommt immer der Sex dazwischen. Stimmt
das?

Antwort: Eine Freundschaft zwischen Männern von Frauen funktioniert,
wenn eine von drei Voraussetzungen da ist: Er ist in einer festen
Bindung und erotisch erfüllt. Sie ist nicht sein Typ oder eine Frau,
die vom Aussehen und vom Verhalten her kameradschaftlich ist. Es geht
auch, wenn Männer in der Lage sind, intensive Gespräche herzustellen
- aber das ist leider selten. In den meisten anderen Fällen werden es
Männer immer probieren, bis zum Frühstück zu bleiben.

Frage: Was unterscheidet Freundschaften heute von früher?

Antwort: Früher war Freundschaft hoch oben in den Wolken angesiedelt.
Heute gehen wir konkreter und offener an sie ran. Viele Menschen
fragen sich: Würde dieser Mensch für mich da sein, wenn ich krank
bin? Und gute Freunde wagen heute auch persönliche Fragen wie: Sag
mal, bist du eigentlich glücklich? Noch vor 30 Jahren waren die
Deutschen da viel vorsichtiger.

Zur Person: Wolfgang Krüger, Jahrgang 1948, ist promovierter
Psychologe und arbeitet als Psychotherapeut in Berlin. Der
Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Überwindung von Ängsten und
der Aufarbeitung von Beziehungsschwierigkeiten. Als Buchautor
beschäftigt er sich unter anderem mit Partnerschaft und Freundschaft.