Krebsrisiko durch Pommes und Co? Neue EU-Regeln gegen Acrylamid Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa

Seit 15 Jahren ist Acrylamid im Gerede, denn Tierversuche deuten auf
Krebsgefahr. Nun bringt die EU neue Vorschriften auf den Weg, um den
Stoff im Essen zurückzudrängen. Pommes sollen zum Beispiel bald
eingeweicht werden.

Brüssel (dpa) - Kaffee, Keks und Knäckebrot, Pommes, Chips und Flips:
Der umstrittene Stoff Acrylamid findet sich in kleinen Mengen in
Geröstetem, Gebackenem und Frittiertem - und somit auch bei fast
allen Europäern auf dem Teller. Weil der Stoff unter Verdacht steht,
Krebs zu erregen, will die Europäische Union ihn zurückdrängen. Am
Mittwoch billigte ein Expertengremium in Brüssel neue EU-Vorgaben für
Backstuben, Frittenbuden und Restaurants. Verbraucherschützer sind
fürs Erste zufrieden, doch die Gastronomie befürchtet ein
Bürokratiemonster. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie gefährlich ist Acrylamid?

Die Debatte über Risiken durch Acrylamid in Pommes frites, Chips und
Spekulatius läuft seit 2002, als schwedische Wissenschaftler den
Stoff in Lebensmitteln nachwiesen. Er entsteht bei großer Hitze aus
den natürlichen Stoffen Asparagin und Zucker in stärkehaltigen Waren
wie Kartoffeln oder Mehl beim Backen, Braten, Rösten und Frittieren -
nicht aber beim Kochen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung stellt
klar: Tierstudien «haben gezeigt, dass Acrylamid krebserzeugend
wirkt». Deshalb sei es «als mutagener und kanzerogener Stoff mit
Bedeutung für den Menschen eingestuft». Acrylamid im Essen erhöhe das

Krebsrisiko, erklärt auch die europäische Lebensmittelaufsicht EFSA.

Was will die EU-Kommission?

In einem siebenseitigen Regelwerk und 21 Seiten Anhang macht die
Brüsseler Behörde professionellen Nahrungsmittelherstellern genaue
Vorgaben für die Verarbeitung zum Beispiel von Kartoffeln oder Mehl.
Denn es gibt kleine Stellschrauben, um die Entstehung von Acrylamid
zu drosseln: weniger Zucker im Rohprodukt, möglichst wenig Hitze,
möglichst geringe Bräunung. So will die Kommission unter anderem,
dass Kartoffelsorten mit wenig Stärke verarbeitet werden und dass mit
Einweichen oder Blanchieren die Stärke vor dem Frittieren
ausgewaschen wird, dass mit möglichst niedrigen Temperaturen gegart
und Fritten oder Brot nur so stark gebräunt werden wie eben nötig.
Bei Produkten zum Selberbacken sollen Verbraucher eine genaue
Anleitung bekommen, um auch zu Hause Risiken zu vermeiden.
Bräunungstabellen sollen einen Maßstab bieten.

Welche Bedenken hat die Gastronomie?

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA kritisiert weniger
die Verarbeitungshinweise als neue Nachweis- und
Dokumentationspflichten, die ebenfalls in dem Vorstoß enthalten sind.
Betriebe müssen Proben nehmen und analysieren lassen. DEHOGA nennt
dies ein «neues Sinnbild einer überzogenen EU-Regelungswut».

Was wollten Verbraucherschützer?

Der europäische Verbraucherverband BEUC vermisst «rechtlich
verbindliche Obergrenzen» für Acrylamid, lobt die Verordnung aber als
ersten Schritt. Tatsächlich hätten gleiche Lebensmittel sehr
unterschiedliche Acrylamidwerte. «Wenn einige Hersteller die
Acrylamidwerte drücken können, dann können das andere auch», erkl
ärte
BEUC-Direktorin Monique Goyens am Mittwoch. «Niemand will irgendeine
Speise verbieten.»

Wann kommen die neuen Regeln?

Nach der Zustimmung des «Ständigen Ausschusses» folgt jetzt eine
dreimonatige Frist, in der Mitgliedsländer oder das Europaparlament
Einspruch erheben könnten. Danach muss die EU-Kommission ihren
eigenen Entwurf noch formal absegnen und veröffentlichen. Im Frühjahr
2018 soll er in Kraft treten.

Werden Pommes dann teurer?

Davon ist noch keine Rede. «Die Frage des Aufwandes geht nicht damit
einher, ob die Preise erhöht werden», sagt DEHOGA-Sprecher
Christopher Lück.