Regierung und Wirtschaft treiben Digitalisierung voran

Kanzlerin Merkel informiert sich auf dem Digitalgipfel in
Ludwigshafen über Telemedizin und ruft zur Nutzung von
Big-Data-Chancen auf. Der Branchenverband Bitkom wünscht sich nach
der Wahl ein ambitioniertes digitales Regierungsprogramm.

Ludwigshafen (dpa) - Mehr Tempo bei der digitalen Umgestaltung der
Gesellschaft: Mit diesem Vorsatz ist am Dienstag der Digitalgipfel in
Ludwigshafen zu Ende gegangen. In den vergangenen Jahren seien
Vernetzung und die Einführung neuer Techniken zwar gut vorangekommen,
sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor rund 1100
Konferenzteilnehmern. Aber «die Welt schläft nicht und wartet auch
nicht auf Deutschland». Deswegen sei der Druck groß. 

Merkel informierte sich auf der Konferenz über neue Entwicklungen in
der Medizin von morgen - die Digitalisierung im Gesundheitswesen war
Schwerpunkt des diesjährigen Gipfels. Wo dieser im nächsten Jahr
stattfindet, steht noch nicht fest.

Der Präsident des Hightech-Verbands Bitkom, Thorsten Dirks,
bescheinigte der Bundesregierung, in dieser Legislaturperiode einiges
für die digitale Agenda getan zu haben. Aber «für die kommende
Legislaturperiode brauchen wir dringend ein neues digitales
Regierungsprogramm mit noch ambitionierteren Zielen». Nicht das
Nationale, sondern das Digitale müsse an erster Stelle stehen. Bei
der Forschung zur Künstlichen Intelligenz (KI) und beim 3D-Druck habe
Deutschland eine international führende Stellung. Aber «dass wir in
einem viel schnelleren Tempo vorgehen müssen, ist uns allen klar.»

Merkel rief die Unternehmen in Deutschland dazu auf, die
Verfügbarkeit von großen Datenmengen für die Entwicklung neuer
Produkte und Anwendungen zu nutzen. Im Gesundheitswesen wie in
anderen Bereichen werde es «große neue Wertschöpfungsmöglichkeiten
»
geben. Diese müssten vom Mittelstand auch klug genutzt werden.
Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Anbieter von großen Plattformen
«die Wertschöpfungskette anknabbern». Zu solchen Anbietern gehören

große Internet-Unternehmen in den USA wie Google und Facebook.

Bei der Entwicklung von sogenannten Big-Data-Anwendungen müsse stets
der Datenschutz beachtet werden, sagte Merkel. Wenn die neue
Datenschutzverordnung der EU im Frühjahr 2018 in Kraft trete, sei es
eine «Informationsoffensive» nötig, «um zu zeigen, welcher neue
Rechtsrahmen in Zukunft gelten wird».

Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) rief die
Unternehmer auf, in der flotten Konjunktur ihre Hausaufgaben in der
Digitalisierung nicht zu vernachlässigen. Wenn Unternehmen vor allem
damit beschäftigt seien, ihre vollen Auftragsbücher abzuarbeiten,
fehle womöglich die Zeit für die Entwicklung von Digitalstrategien.
Daher sei der gegenwärtige Erfolg der Wirtschaft auch eine Gefahr,
sagte Zypries.

Für eine «neue Kultur der Zusammenarbeit und kluge Vernetzung der
Akteure» warb die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu
Dreyer (SPD). Ein gutes Beispiel dafür sei die länderübergreifende
Zusammenarbeit in der Metropolregion Rhein-Neckar, die den
Industriestandort Ludwigshafen mit ihren Nachbargebieten in
Baden-Württemberg und Hessen verbindet. Bei der Entwicklung von
digitalen Anwendungen für das Gesundheitswesen müsse der Datenschutz
gewahrt bleiben, mahnte Dreyer. «Datensouveränität der Patienten
spielt bei diesem Thema mit Sicherheit eine ganz besondere Rolle.»
Sie sei aber überzeugt, dass am Ende der Gewinn größer sei als die
Risiken.

Bei digitalen Neuerungen wie dem autonomen Fahren seien auch ethische
Fragen zu klären, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt
(CSU). Aber «wir können nicht den Zweiflern, wir können nicht den
Bedenkenträgern, der latenten Innovationsfeindlichkeit die
Meinungsführerschaft überlassen».

Merkel räumte ein, dass es noch einen erheblichen Nachholbedarf in
der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung gebe: «Hier ist
Deutschland nicht an der Spitze.» Eine Reise nach Estland, Finnland
oder Dänemark zeige, dass andere Länder sehr viel weiter seien bei
der digitalen Verwaltung. 

Die Regierungschefin rief zu verstärkten Anstrengungen auf, die
Bildung für die Anforderungen der digitalen Gesellschaft fit zu
machen. Dies sei auch eine Aufgabe für die Gleichberechtigung: «So
wie Frauen gut schreiben und rechnen können, so können sie auch gut
programmieren.»