Sylvia Schenk über die Verbände: «Flickschusterei»

Frankfurt/Main (dpa) - Sylvia Schenk, engagierte Kämpferin gegen
Korruption und für mehr Transparenz im Sport, feiert am Donnerstag
(1. Juni) ihren 65. Geburtstag. Die ehemalige Leichtathletin,
Richterin, Dezernentin der Stadt Frankfurt/Main und deutsche
Radsport-Präsidentin ist bei den angeblichen oder tatsächlichen
Reformbemühungen von skandalträchtigen Verbänden stets eine kritische

Stimme. Schenk leitet die Arbeitsgruppe Sport bei Transparency
Deutschland.

Den aktuellen Zustand wichtiger Sportverbände beurteilt Schenk so:

DEUTSCHER FUSSBALL-BUND DFB: «Beim DFB ist bei der Bewerbung für
die
EM 2014, die wir mitbegleiten, eine Menge Bewusstsein da - aber noch
nicht auf allen Ebenen. Auf Bundesebene eher, zum Beispiel in Sachen
Transparenz bei der Auswahl der Spielorte. Bei den Landesverbänden
besteht noch Nachholbedarf. Wie in allen Verbänden, national und
international, gibt es abgesehen davon Probleme im Kommunikations-
und Krisenmanagement. Das war ja auch vor zwei Jahren so, als es mit
der WM-Affäre und Wolfgang Niersbach los ging. Immer wird das Problem
nicht direkt angegangen und nicht versucht, es zu lösen. Der DFB hat
einiges in die Wege geleitet, aber man hat auch noch einen
Lernprozess vor sich.»

FUSSBALL-WELTVERBAND FIFA: «Auch da hat sich einerseits eine Menge
getan, andererseits gibt es bei den 209 Nationalverbänden noch ein
richtiges Gefälle - nicht nur, was das Bewusstsein für
Anti-Korruption und Menschenrechte betrifft. Bei manchen muss erstmal
eine Administration in Gang gesetzt werden, um da so etwas wie
Compliance überhaupt oben draufzusetzen. Ansonsten herrscht in der
FIFA nach wie vor - sicher auch in den obersten Gremien - ein Hang
zur Selbstbedienungs-Mentalität beziehungsweise das Gefühl: 'Wenn ich
hier schon engagiert bin, dann steht mir dies oder jenes zu.' Eine
Phase der Bescheidenheit einzuleiten, das funktioniert noch nicht
- von Präsident Giovanni Infantino abwärts. Aber was interne
Kontrollmechanismen betrifft, da ist einiges sehr viel besser
geworden.»

DEUTSCHER OLYMPISCHER SPORTBUND DOSB: «Der hat vor allem ein Problem:

einen Good-Governance-Beauftragten, der seine Rolle nicht verstanden
hat und ihr nicht gerecht wird. Er sollte eigentlich in den Sport
hineinwirken, aber das ist praktisch ein Totalausfall. Ansonsten hat
sich bei der Spitzensportreform gezeigt, dass der DOSB ein
wesentliches Element von Good Governance, nämlich Partizipation, also
frühzeitige Diskussionen mit den Betroffenen, dabei völlig
vernachlässigt hat. Das ist natürlich auch kein guter Start, wenn so
etwas bei der ersten Bewährungsprobe nicht angewandt wird. Das merkt
man jetzt bei der ganzen Diskussionen mit Aktiven, mit einzelnen
Sportarten und mit Olympiastützpunkten, die nicht ausreichend
informiert sind und nicht einbezogen wurden.»

INTERNATIONALES OLYMPISCHES KOMITEE IOC: «Das IOC hat mit der 'Ag
enda
2020' eigentlich - wenn auch in einer sehr schwierigen Struktur -
ganz, ganz viele wichtige Punkte angesprochen. Das Problem beim
IOC ist, dass die Funktionäre im Grunde seit zwei Jahren mit der
Dopingfrage so überrollt werden und nicht immer die richtigen
Schritte gemacht haben. Da sind wir wieder beim Thema
Krisenmanagement. Damit ist auch die generelle Beschäftigung mit Good
Governance wieder mehr in den Hintergrund gerückt. Beim Doping ist es
einfach so, dass das Kontrollsystem - und das wissen alle Experten -
nicht wirklich was bringt. Aber bisher gibt es kein besseres System.
Es fehlt halt im IOC, im Sport und auch bei den Regierungen weltweit
die Kraft und das Interesse zu sagen: 'Wir schauen noch mal auf Null
und überlegen, ob wir das alles ganz anders aufstellen können.' Da
traut sich halt keiner ran - insofern ist das nur Flickschusterei.»