Kleine Klinik nimmt Kampf gegen Keime auf Von Claudia Bonati und Swen Pförtner , dpa

Ein kleines Krankenhaus in Nordhessen geht im Kampf gegen
multiresistente Keime seine eigenen Wege - und hat jetzt
überraschende Ergebnisse präsentiert.

Kassel (dpa) - Wer im Kasseler Marienkrankenhaus stationär
aufgenommen wird, dem wird mit einem Stäbchen ein Abstrich von
Rachen- und Nasenschleimhaut abgenommen. Seit September 2015 werden
in dem nordhessischen 300-Betten-Haus alle Patienten auf einen
gefährlichen Keim getestet, den Methicillin-resistenten
Staphylococcus aureus (MRSA). Er kann unter anderem zu
Wundinfektionen und Lungenentzündungen führen. Intensivpatienten
werden zusätzlich auf Multiresistente gramnegative Stäbchen (MRGN)

untersucht, die gegen mehrere Antibiotika-Gruppen resistent sind. Nun
liegen erste Ergebnisse des Screening-Programms vor.

Danach wären rund zehn Prozent der MRSA-Träger mit den
Standard-Verfahren nach Richtlinien des Robert Koch-Instituts nicht
erfasst worden, sagte Krankenhaus-Geschäftsführer Michael Schmidt am
Donnerstag. Von den 9237 im Jahr 2016 untersuchten Patienten hatten
149 einen positiven Befund auf MRSA. Von letzteren wiederum wären 14
Patienten, eben rund zehn Prozent, über das Standard-Verfahren nicht
erfasst worden. Hochgerechnet auf die Krankenhauspatienten in ganz
Deutschland ergebe das um die 30 000 Patienten, die unerkannt MRSA in
die Kliniken tragen, sagte Schmidt.

Ob die Kasseler Ergebnisse auf andere Krankenhäuser übertragbar sind,
ist aufgrund der schlechten Datenlage schwer abzuschätzen. Denn nur
wenige Kliniken haben ähnliche Programme etabliert. «Viele Kliniken
messen zu wenig und übermitteln dem Robert Koch-Institut dann
entsprechend niedrige Zahlen», sagt Andreas Bastian, Chefarzt am
Marienkrankenhaus. Verwunderlich ist das zumindest unter finanziellen
Gesichtspunkten nicht - die Kosten für das Screening-Programm
belaufen sich in Kassel auf eine viertel Million Euro pro Jahr. Dazu
gebe es keine direkte Refinanzierung, sagte Schmidt. 

«Es ist klar, dass es MRSA-Träger gibt, die man mit einem normalen
Screening nicht erkennt», sagte die Sprecherin des Robert
Koch-Instituts (RKI), Susanne Glasmacher. Die Richtlinie sei als
Minimal-Empfehlung zu verstehen. Ein komplettes Screening sei jedoch
sehr aufwendig umzusetzen. «Es bleibt eine Abwägung jeder Klinik,
alle Patienten zu testen oder eben nicht.»

Im Rahmen des Intensiv-Patienten-Screenings wurden 2016 in Kassel
zudem insgesamt 653 Patienten auf MRGN untersucht. Bei 65 Patienten,
also zehn Prozent, fiel der Test positiv aus. Bereits seit einiger
Zeit warnen Experten vor einer Zunahme der MRGN-Fälle. «Für sich
genommen machen diese Erreger, die auch natürlicherweise im Darm
vorkommen, nicht krank. Problematisch wird es, wenn geschwächte
Patienten eine Lungenentzündung entwickeln, denn diese sind dann kaum
noch zu behandeln», erklärte Chefarzt Bastian. 

Wenn bei einem stationären Patienten der Klinik MRSA nachgewiesen
wurde, läuft eine Routine an - Sanierungsversuch genannt. Neben
Infomaterial zu multiresistenten Keimen kommt ein ganzes Set zum
Einsatz: Gurgel-Lösung, Nasensalbe, Shampoo - alles antiseptisch. Wie
Brillen, Prothesen, Bettwäsche und Zahnbürsten am besten gereinigt
werden, weiß Hygienefachkraft Ruth Dallig. «Eine Zahnbürste kann
einfach in die Spülmaschine gestellt und bei 65 Grad gespült werden.»

Grundlegend sei die Hand-Hygiene. «Händewaschen ist die effektivste
Maßnahme, um die Verbreitung dieser Erreger zu verhindern.»