Legal Highs - Machtlos im Kampf gegen den Rausch aus dem Netz

Die Mischungen ähneln Kräutern oder Salzen, sie werden geraucht,
gespritzt oder durch die Nase gezogen. Händler tun so, als gehe es um
Genussmittel. Das hat tödliche Folgen. Drogentests sind kaum möglich.

Berlin (dpa) - Vorgeblich werden sie als Badesalz, Dünger oder
Kräutermischung verkauft: Der Handel mit Rauschmitteln aus der
Grauzone geht trotz einem neuen Gesetz offensichtlich fast
ungehindert weiter. Die Anbieter solcher «Legal Highs» treten
Experten zufolge hoch professionell auf, ihre Online-Shops haben
nichts mit dem Image vom Dealer aus der dunklen Gasse gemeinsam - und
doch können die Produkte ihre Konsumenten töten. Fachleute zeigten
sich am Mittwoch in Berlin vor einem Fachtreffen des Bundes gegen
Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (BADS) äußerst skeptisch, was
die bisherigen Erfolge bei der Bekämpfung angeht. Sie berichteten,
die Gemische seien nach wie vor über das Internet erhältlich.

Bekannt sind bislang mehr als 500 Sorten solcher Rauschmittel - alle
ungetestet, sagte der Rechtsmediziner Thomas Daldrup von der Uni
Düsseldorf. Das sei ein «wahnsinniges» weltweites Experiment am
Menschen. Die Stoffe beeinträchtigen aus Sicht der Fachleute die
Fahrtüchtigkeit und sie bergen Risiken für den Straßenverkehr. Fü
r
die Gesundheit sind sie ohnehin sehr bedenklich. BADS-Präsident Peter
Gerhardt forderte mehr Befugnis zu Kontrollen für die Polizei. Diese
müsse bisher einen Fahrfehler oder andere Auffälligkeiten feststellen
und benötige einen richterlichen Beschluss für eine Blutentnahme.

Wegen der Vielzahl an Stoffen ist aber auch der Nachweis im Blut noch
sehr schwierig. «Wir finden nur, was wir suchen», sagte
Polizeidirektor Ludwig Laub von der Hochschule für Polizei im
baden-württembergischen Villingen-Schwenningen. Polizisten hätten
derzeit kaum Chancen, einen Tatbestand nachzuweisen. Wohl auch
deshalb fallen Legal-Highs-Konsumenten bislang nur in Einzelfällen
als Verkehrssünder auf. Schnelltests gibt es nicht, andere Verfahren
sind aufwendig. Schon aus Kostengründen werden nur die häufigsten
Substanzen überprüft.

Seit Ende 2016 zielt das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz - so heißen
Legal Highs im Fachjargon - vor allem auf eine Bestrafung von
Händlern ab. Erwerb und Besitz seien straffrei, so Laub. Ralf
Wischnewski von der Drogenhilfe Köln berichtete, dass einige
Online-Shops nun verschwunden seien. Andere Anbieter gäben an, nur
legale Mischungen zu verkaufen. Es sei aber unklar, was genau sie
verschicken: «Es ist ein ganz großes Fragezeichen, was da passiert.»


Daldrup sagte, er gehe davon aus, dass die Hersteller statt der
bislang vom Gesetz erfassten zwei Stoffgruppen auf andere ausweichen.
Oft werden die Mittel aus Ländern wie den Niederlanden vertrieben, in
denen die Herstellung nicht verboten ist - für die deutsche
Strafverfolgung gibt es damit kaum eine Handhabe.

Und die Konsumenten? Drogenhilfe-Experte Wischnewski sieht
Legal Highs in Großstädten als Nischenthema, weil dort meist andere
illegale Drogen verfügbar sind. Der Internethandel komme eher
Menschen auf dem Land entgegen. Neben neugierigen Erstkonsumenten
seien Legal Highs auch bei Menschen gefragt, bei denen es im Beruf
Tests auf illegale Drogen gibt. Sie versuchten auf diese Weise,
Konsequenzen für den Job zu vermeiden.

Dabei sind die Stoffe alles andere als harmlos, betonen die Experten.
Sie enthalten modifizierte chemische Substanzen, die verbotenen
Drogen wie Cannabis oder Heroin zwar ähneln, aber zunächst nicht vom
Betäubungsmittelgesetz erfasst werden. Die Wirkung kann allerdings
teils zigfach so stark sein und lässt sich über die Dosierung
schlecht steuern, so Wischnewski. Nach jüngsten verfügbaren Zahlen
von 2015 sind in dem Zusammenhang 39 Todesfälle in Deutschland
bekannt. Es gilt aber wie im Straßenverkehr: Die Zahl der unerkannten
Fälle dürfte hoch sein.