80 000 Menschen erhalten durch Reform zusätzlich Pflegeleistungen

Darauf haben viele Menschen gewartet, die allein nicht zurecht
kommen. Seit Jahresbeginn können sie mehr Hilfe aus der
Pflegeversicherung erhalten. Zehntausendfach haben Betroffene
reagiert.

Berlin (dpa) - Durch die seit Jahresbeginn wirkende Pflegereform
haben bisher rund 80 000 Menschen Pflegeleistungen bekommen, die
sonst leer ausgegangen wären. Insgesamt dürften dies im Gesamtjahr
2017 rund 200 000 Menschen sein, teilte der Medizinische Dienst der
Krankenversicherung (MDK) am Freitag in Berlin bei einer
100-Tage-Bilanz mit.

Die rund 2,8 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden seit
dem 1. Januar nach neuen Maßstäben begutachtet. Anders als bisher
spielt seit Jahresbeginn nicht mehr der Zeitaufwand für die Pflege
die ausschlaggebende Rolle, sondern der Grad der Selbstständigkeit.
Auch Vorlesen, Hilfe beim Treppensteigen oder Unterstützung in Fällen
von aggressivem Verhalten oder nächtlichem Weglaufen können seither
verstärkt über die Pflegeversicherung organisiert werden.

Erstmals Pflegeleistungen nach den neuen Kriterien erhielten im
ersten Quartal rund 129 000 Menschen. Teils hätten diese Menschen
auch nach dem bisherigen Verfahren von der Pflegeversicherung
profitiert. Neu ist, dass Beeinträchtigungen von Wahrnehmung und
Erinnerung etwa bei Demenz, Probleme in der Alltagsbewältigung,
herausfordernde Verhaltensweisen oder Probleme mit Arztbesuchen
besser berücksichtigt werden.

Statt in drei Pflegestufen werden die Menschen in fünf Pflegegrade
eingeteilt. Vor allem viele Demenzkranke hätten auf die Umstellung
gewartet, um Leistungen zu beantragen, sagte der Geschäftsführer des
Medizinischen Diensts des Kassen-Spitzenverbands, Peter Pick.

Die MDK-Gutachter hätten bisher rund 222 000 Menschen nach dem neuen
System begutachtet. Knapp 84 Prozent sei ein Pflegegrad zuerkannt
worden. Beim nun abgeschafften Begutachtungsverfahren lag die
Anerkennungsquote bei rund 75 Prozent. In knapp 57 000 Fällen seit
Jahresbeginn seien bereits Pflegebedürftige höhergestuft worden.

«Das neue Gesetz wirkt», sagte Pick. Die Anträge auf Pflegeleistungen

seien stark angestiegen - im ersten Quartel um 31 Prozent gegenüber
dem Vorjahresquartal.

Allerdings müssen die Betroffenen derzeit auch deutlich länger auf
einen Bescheid warten. Eine bisher gültige 25-Tages-Frist sei
ausgesetzt worden, da bereits klar gewesen sei, dass auf die
MDK-Gutachter mehr Arbeit zukommt. «Wer heute einen Pflegeantrag
stellt, muss mit einer Bearbeitungszeit von vier bis acht Wochen
rechnen», sagte Pick. In dringenden Fällen gilt aber eine
Ein-Wochen-Frist. Die 25-Tage-Frist soll ab 2018 wieder gelten.

Der Gesetzgeber habe Verzögerungen eingeplant, sagte der
Pflegebevollmächtigte des Bundes, Karl-Josef Laumann (CDU), der
Deutschen Presse-Agentur. «Einige MDKen müssen hier aber offenbar
mehr Tempo machen und sich auch mehr anstrengen.» Ihm sei von einigen
Bürgern berichtet worden, dass zu viel Zeit vergehe, bis das Ergebnis
vorliege. Im Großen und Ganzen laufe die Umstellung gut. «Ganz
wichtig war und ist, dass alle Pflegebedürftigen, die zuvor schon
Leistungen der Pflegeversicherung bezogen haben, einen Bestandsschutz
bei den pflegerischen Leistungen erhalten haben.»