Kliniken und Kassenärzte wegen Notfallversorgung im Dauerkrach Von Ruppert Mayr, dpa

Die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken
klappt einfach nicht richtig. Jetzt gibt es erneut Streit um die
Notfallversorgung. Und wieder geht es letztlich ums Geld.

Berlin (dpa) - Überfüllte Notfallambulanzen in Krankenhäusern,
überlastete Ärzte und zunehmend genervte Patienten: Die
Patientensteuerung sowie die Zusammenarbeit zwischen den rund 150 000
niedergelassenen Ärzten und den rund 2000 Krankenhäusern läuft nicht

rund. Der Vorwurf der Kassenärzte: Über die Notfallambulanzen füllen

sich viele Krankenhäuser ihre Betten. Fünf Milliarden Euro im Jahr
verdienten die Kliniken mittlerweile mit Leistungen, die eigentlich
ambulant von niedergelassenen Ärzten erledigt werden sollten.

Die Krankenhäuser beschweren sich im Gegenzug, die Praxen seien nur
begrenzt geöffnet. Zudem werde die Behandlung von Notfallpatienten
nicht ausreichend honoriert. Jetzt gibt es neuen Krach - wegen der
seit 1. April geltenden «Abklärungspauschale».

Wer macht die Abklärung und wann?

Wenn ein Patient in ein Krankenhaus kommt und angibt, ein Notfall zu
sein, muss letztlich ein Arzt abklären, was derjenige hat. Das
verlangt das Berufsrecht und sei haftungsrechtlich erforderlich,
erläutert der Hauptgeschäftsführer der Deutschen
Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum.

Was wird abgeklärt?

Im Grunde wird bei diesem ersten Kontakt zwischen Arzt und Patient
abgeklärt, ob es sich tatsächlich um einen Notfall handelt und der
Patient weiter im Krankenhaus behandelt werden muss oder ob er wieder
weggeschickt werden kann, um sich in eine ambulante Behandlung bei
einem niedergelassenen Arzt zu begeben. Das sei bisher grundsätzlich
schon ohne Honorar so gehandhabt worden, sagt der Chef der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. Seit dem 1.
April gebe es nun eine Vergütung.

Was bekommt das Krankenhaus für diese Abklärung?

Wird der Patient nach kurzer Abklärung nach Hause geschickt, weil
keine sofortige Maßnahme notwendig ist, oder ein niedergelassener
Arzt weiter behandeln kann, bekommt das Krankenhaus 4,74 Euro
tagsüber und 8,42 Euro nachts sowie an Feiertagen und Wochenenden.
Das «ist definitiv unzureichend und skandalös», sagt Baum. Denn
offiziell entspreche dies gerade einmal zwei Minuten Zeit für
verwaltungsmäßige Erfassung und korrekte medizinische Diagnose. Es
entstehe ein immenser Zeitdruck.

«Unsinn», sagen Gassen und Johann-Magnus von Stackelberg vom
Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Viele
medizinische Leistungen werden mit einem gewissen zeitlichen Aufwand
kalkuliert. Das sei eine reine Rechengröße, keinesfalls eine
zeitliche Begrenzung der Behandlung. 

Laufen Patienten Gefahr, nicht angemessen behandelt zu werden?

Nein, sagen trotz der unterschiedlichen Positionen alle drei
Parteien. «Es gibt durch die neue Abklärungspauschale keinen
Zeitdruck», unterstreicht der GKV-Spitzenverband. Jeder Patient solle
weiterhin so ausführlich untersucht werden wie nötig. Sei eine
weiterreichende Diagnose erforderlich, könne diese natürlich
entsprechend höher abgerechnet werden. Und bei einem «echten» Notfall

wie Herzinfarkt oder Blinddarmdurchbruch spiele die
Abklärungspauschale überhaupt keine Rolle. Die «Abklärung der
Behandlungsnotwendigkeit» ziele auf Fälle wie die Blase an der Ferse
durch neue Schuhe, die am Sonntagmorgen um 2.25 Uhr behandelt werden
solle - und die Ärzte von echten Notfällen abhielten.

Bringt die neue Regelung die sektorenübergreifende Zusammenarbeit
weiter? 

Nach Ansicht von KBV-Chef Gassen kann die Abklärungspauschale eine
Entlastung der Notfallambulanzen bringen. «Sie haben dann mehr Zeit
für echte Notfälle.» Die Krankenkassen sind zurückhaltender. Aber
auch sie hoffen, dass die Leistung Entlastung für die Krankenhäuser
bringt.

Dagegen sagt DKG-Hauptgeschäftsführer Baum: «Wegschicken hat nichts
mit Kooperation zu tun. Wir brauchen eine grundsätzliche Neuordnung
der ambulanten Nothilfeleistungen in den Krankenhäusern.» Das müsse
der Gesetzgeber in der nächsten Legislaturperiode angehen. Bis dahin
fordert die DKG, sofort «die Pauschalen um einen Zuschlag von 10 Euro
per Gesetz zu erhöhen».