Japans coole Kühe: «Kühlbody» soll Tiere vor Sommerhitze schützen Von Lars Nicolaysen, dpa

Blutdruck, Körpertemperatur, Schlaf: Wearables, kleine Chips an
Körper oder Kleidung des Nutzers, erfassen über Sensoren ständig
solche Daten. In Japan sollen nun auch Kühe davon profitieren. Ist
das sinnvoll?

Kyoto (dpa) - Bullenheiß wird es wieder. Wenn in Japan der Hochsommer
kommt, verwandeln sich Nippons Touristenhochburgen wie Tokio oder
Kyoto schnell in Backöfen. Feuchtschwüle Luft wabert dann über die
glühenden Straßen und allerorten laufen die Klimaanlagen - was das
Problem über die Abwärme noch verschärft. Das ist die Zeit, in der
Anbieter kühlender Hightech-Unterwäsche Hochkonjunktur haben. Und das
technikverliebte Japan wäre nicht Japan, wenn nicht jemand auch für
tierische «Kundschaft» wie Milchkühe an einer Hightech-Lösung baste
ln
würde.

Beim Agrar-, Forst- und Fischereizentrum in der Präfektur Kyoto läuft
dazu ein eigenwilliges Experiment: Eine Art «Kühlbody» für Kühe w
ird
getestet. Das Teil sieht aus wie ein überdimensioniertes T-Shirt, das
den Kühen übergestreift wird. Es besteht aus einem Hightech-Gewebe,
das kühlend wirkt. Ähnliches tragen Sportler im Sommer schon seit
längerem. Warum also nicht auch Kühe? Das zumindest haben sich die
Entwickler der japanischen Bekleidungsfirma Gunze gedacht. Was wie
ein verspäteter Aprilscherz anmutet, ist ein tierisch ernstes
Projekt, in das die Milchbauern von Kyoto große Hoffnung setzen.

«Kyoto ist eine sehr heiße Region im Sommer», sagt Toshiyuki Yamaoka

vom Livestock Technology Department des Zentrums. Der Klimawandel
verschärfe die Situation weiter. Für die aus Nordeuropa stammenden
Rinder der Rasse Holstein sei Hitze eine Qual, sie produzierten dann
weniger Milch. Die Wohlfühltemperatur von Rindern liegt bei etwa
minus 5 bis plus 16 Grad. «Die Bauern hier arbeiten mit Ventilatoren
und Vorhängen, die den Stall vor der Sonne schützen, aber die haben
auch nicht mehr gereicht», erklärt Yamaoka. Die Bauern wanden sich an
das Unternehmen Gunze, das in der Präfektur ein Forschungsinstitut
betreibt und für seine Funktions-Textilien bekannt ist.

Aber macht es wirklich Sinn, jeder einzelnen Kuh einen technisch
aufwendiges Shirt überzuziehen? Nicole Kemper, die das Institut für
Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie an der Tierärztlichen
Hochschule Hannover leitet, ist skeptisch. «Ich glaube nicht, dass
sich das sehr zum Kuhwohl auswirken wird.» Da der Body nur einen
kleinen Teil des Kuhkörpers bedeckt, dürfte der Effekt nicht allzu
groß sein. Es sei sinnvoller, die Temperatur im Stall zu senken. Kühe

legten sich beispielsweise auf kalte Flächen, um sich zu kühlen.

«Ushiburu» nennt sich der Kühlbody für Rinder, den die Firma und di
e
Bauern von Kyoto derzeit gemeinsam entwickeln. Der Name setzt sich
aus den Worten «Ushi» für Kuh und der phonetischen Endung des aus dem

Englischen übernommenen Wortes «wearable» zusammen. Wearables sind
technische und elektronische Geräte, die man am Körper oder an der
Kleidung trägt - mit Sensoren bestückte Fitnessarmbänder, Brillen
oder Smartwatches zum Beispiel. Viele der Geräte zeichnen
Körper-Daten wie Blutdruck und Temperatur auf - etwa, um vor
Überanstrengung oder Überhitzung zu warnen.

Ähnlich soll der «Ushiburu» funktionieren. Das Textilgewebe habe
kühlende Wirkung, heißt es bei Gunze. Ein angeschlossenes
Befeuchtungssystem solle den Stoff zugleich mit Wasser benetzen, was
eine zusätzliche Kühlung bewirke. Gesteuert werde die Wasserzufuhr
über Sensoren. Weitere Tests seien nun für die heißen Sommertage
geplant, hieß es. Für die Kühe stelle das Tragen des Anzugs keinen
Stress dar.

Die deutsche Veterinärmedizinerin Kemper ist da allerdings nicht so
sicher. Auch wenn sie den Kühlbody für nicht praxistauglich hält, die

Forschung dahinter findet sie durchaus interessant. Sensoren, die
direkt am Tier Körperfunktionen messen und aufwendigere medizinische
Maßnahmen teilweise ersetzen, könnten durchaus sinnvoll sein. So
könnten die Sensoren auch an das Kühlungssystem des Stalls gekoppelt
werden. Ihr Fazit zum japanischen Projekt: «Das ist sicherlich von
der Forschung her ein ganz interessanter Ansatz. Bei der
praktischen Anwendung ist es eher im Bereich Quatsch anzusiedeln.»