«Ein Härtetest für die Oberschenkelmuskulatur» Von Martina Steffen, dpa

Bei der 3. Weltmeisterschaft im Treppenlaufen geht es in einem
13-stöckigen Hochhaus 194 Mal rauf und wieder runter. Gewürzgurken,
Gummibärchen und Energie-Riegel helfen den Extremsportlern.

Hannover (dpa) - Es ist Extremsport auf engstem Raum - im
Treppenhaus: Beim Vertical-Marathon müssen die Teilnehmer innerhalb
des Zeitlimits von 15 Stunden 194 Mal ein 13-stöckiges Hochhaus in
Hannover rauf und wieder runter rennen - also insgesamt 2522 Etagen
hinauf und die gleiche Zahl von Stockwerken hinunter. Selbst der
höchste Wolkenkratzer der Welt, der Burj Khalifa in Dubai, hat nur
189 Etagen.

Die Extremsportler kommen aus Österreich, Frankreich, Luxemburg, der
Schweiz und Deutschland. Unter ihnen ist Gabi Hirsemann aus
Hildesheim, die zum dritten Mal bei der WM dabei ist. Genau wie ihre
Mitstreiter will sie 42,195 Kilometer Treppe laufen. Insgesamt 83 808
Stufen sind es, die die 19 Teilnehmer im Annastift-Bildungszentrum in
Hannover bei der 3. Weltmeisterschaft im Treppenlaufen hoch- und
runterhetzen.

In den Vorjahren belegte die Extremsportlerin jeweils den ersten
Platz bei den Frauen, in der Gesamtwertung den zweiten Platz. Obwohl
die 55-Jährige hochhausdauertrainiert ist, muss auch sie sich auf den
Treppenhauslauf vorbereiten. Einmal pro Woche stand ein langes
Treppentraining an. «Es läuft sich immer müheloser», sagt die
promovierte Physikingenieurin. Dazu kamen entspanntes Joggen zur
Regeneration und Kraftübungen zur Steigerung der Oberschenkelkraft.
«Das Ding im Annastift ist ein Härtetest für die
Oberschenkelmuskulatur.»

Beim Marathon stehen im Treppenhaus Tische, auf denen die Sportler
ihre persönliche Verpflegung deponiert haben. Vorjahressieger
Johannes Schmitz liebt Kartoffeln, Gabi Hirsemann isst Bananen. Auch
viele Energie-Riegel, Suppen und isotonische Getränke sind auf den
Tischen und Fensterbänken zu finden. Im Keller ist ein Büfett der
speziellen Art aufgebaut: Gewürzgurken, Gummibärchen, Datteln,
Bananen, Schokolade und Salz. Die Sportler stoppen kurz und stärken
sich, dann geht es weiter.

Ein Physiotherapeut behandelt die Teilnehmer, die Probleme haben.
Nach 43 Runden gibt Falko Toetzke am Samstagmittag auf. «Ich habe
eine Verletzung, die sich jetzt meldet», sagt er zu Initiator Horst
Liebetruth. «Das zeichnet einen versierten Sportler aus, er weiß
genau, wann er aufhören muss», sagt Liebetruth, der als
Business-Coach und Personal Trainer ausgebildet ist.

Manche Teilnehmer hören beim Laufen Musik oder Hörbücher, denn im
Treppenhaus gibt es keine Abwechslung. «Einige Starter laufen einfach
solide durch, andere laufen auf Zeit und wollen gewinnen», sagt Kim
Granz vom Organisationsteam. Die meisten seien wie in einem Sog und
realisierten gar nicht mehr, was die Helfer ihnen sagten.

Gabi Hirsemann hat im Treppenhaus des Annastift-Bildungszentrums
trainiert - aber auch in einem Hochhaus in Berlin mit 30 Etagen.
«Hoch bin ich die Treppen gelaufen, runter mit dem Fahrstuhl
gefahren, das geht schneller», sagt sie. Runterlaufen sei vor allem
eine orthopädische Belastung und bringe konditionell kaum etwas. Zehn
Tage vor dem Vertical-Marathon absolvierte sie ihr letztes langes
Training mit neun Stunden Treppenlaufen.

Nach 11 Stunden, 12 Minuten und 44 Sekunden ist Gabi Hirsemann als
erste Frau im Ziel - dritter Platz in der Gesamtwertung. Im Vergleich
zum Vorjahr verbesserte sie ihre Zeit um rund 47 Minuten. «Wahnsinn,
das ist ein Jahr Trainingsmühe wert», jubelt sie. «Die letzten 20
Runden waren knüppelhart, aber ich wollte eine gute Zeit laufen.»
Sieger wird Titelverteidiger Johannes Schmitz aus Northeim.

«Wir haben auch den Gesundheitsaspekt im Fokus, Treppensport hat ein
Riesenpotenzial», erklärt Liebetruth. Er möchte die Treppe als
Sportgerät in den Köpfen der Menschen etablieren. Treppenlaufen mit
dem richtigen Knowhow fördere Ausdauer, Kraft und Fitness. «Man
verliert dabei mehr Kalorien als bei manch anderen Sportarten»,
betont er. Sicher habe der Vertical-Marathon etwas Skurriles, aber
die Teilnehmer seien keineswegs nur verrückte Extremsportler.