Cannabis als Medizin rückt näher - Mortler: Keine generelle Freigabe

Cannabis vom Staat - was lange in Deutschland undenkbar schien, soll
bald Wirklichkeit werden. Die Drogenbeauftragte macht aber auch klar,
wo bei ihr die Grenzen liegen.

Berlin (dpa) - Cannabis auf Rezept rückt in Deutschland näher. Ein
Schritt zu einer Aufhebung des allgemeinen Cannabisverbots solle die
Freigabe des Stoffs als Medizin aber nicht sein, sagte die
Drogenbeauftragten Marlene Mortler am Montag beim Besuch einer
Palliativstation in Berlin. An diesem Donnerstag will die Koalition
im Bundestag einen Gesetzentwurf verabschieden, der schwerkranken
Menschen den Weg zu dem Stoff auf Rezept ermöglichen soll.

Schwerkranke solle besserer Zugang zu Cannabis gegeben werden, sagte
die CSU-Politikerin. Aber eine Freigabe des als illegale Droge
eingestuften Stoffs für den Freizeitkonsum lehne sie ab. Mit
steigender Verfügbarkeit würde nach ihrer Ansicht sonst auch der
Konsum steigen.

Die Kosten sollen laut Gesetzentwurf von der Krankenkasse übernommen
werden. Das Gesetz werde voraussichtlich im März in Kraft treten,
sagte Mortler. «Cannabis als Medizin ist mit Sicherheit kein
Wundermittel», betonte sie, «aber jeder soll das Recht haben, dass es
bezahlt wird, wenn es hilft.»

Die Deutsche Schmerzgesellschaft begrüßte grundsätzlich das Gesetz
und plädierte für einen niedrigschwelligen Zugang, wie ihr
Geschäftsführer Thomas Isenberg deutlich machte. Es seien bisher
keine bestimmten Krankheitsbilder definiert, bei denen Cannabis zum
Einsatz kommen solle. Bei der Anwendung werde sich mit der Zeit
zeigen, wie die Indikationen eingegrenzt werden könnten. Etwa bei
Gewichtsverlust mit mangelndem Hunger oder tumorbedingter Übelkeit
werde Cannabis angewendet.

Derzeit haben gut 1000 Patienten eine Ausnahmeerlaubnis des
Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zum
Erwerb von getrockneten Cannabisblüten und Cannabisextrakten zur
medizinischen Anwendung. Solche Genehmigungen sollen künftig nicht
mehr nötig sein. Durch das Gesetz wird sich die Zahl der mit Cannabis
behandelten Patienten nach Erwartung der Schmerzgesellschaft
voraussichtlich erhöhen.

Ziel sei außerdem die Errichtung einer Cannabis-Agentur unter
staatlicher Aufsicht für den Anbau, bekräftigte Mortler. Auch private
Hersteller könnten sich dafür bewerben, aber wegen strenger Kriterien
würden bei einem möglichen Verfahren am Ende wohl allenfalls wenige
übrig bleiben.

Isenberg kritisierte, dass die Krankenkassen Anträge auf Erstattung
erst durch ihre Medizinischen Dienste prüfen sollten. Mortler sagte,
dafür sei eine verkürzte Entscheidungsfrist von drei bis fünf Tagen
vorgesehen.

Neben bestimmten Fertigarzneimitteln mit dem Cannabis-Stoff THC gibt
es die Option, Öl aus Hanfpflanzen über eine Vorrichtung zu
inhalieren. Cannabisblüten zu rauchen, sei aus ärztlicher Sicht wegen
gesundheitlicher Risiken etwa durch das enthaltene Teer nicht zu
empfehlen, so die Schmerzgesellschaft. Doch es gebe auch Patienten,
denen es laut eigener Aussage am besten hilft, wenn sie es rauchen.

Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linken, bemängelte, dass
die Regierung das Straßenverkehrsrecht in dem Zusammenhang außer Acht
lasse. «Viele Schmerzpatienten können durch eine Cannabistherapie
überhaupt erst wieder ihr Auto nutzen. Doch bei
Straßenverkehrskontrollen werden sie trotz anderslautender ärztlicher
Beurteilung regelmäßig durch die Polizei verdächtigt, berauscht am
Steuer zu sitzen.»