BGH versagt 80-Jährigem Fahrstuhl zur Eigentumswohnung

Ein Rentner will zu seiner Wohnung im fünften Stock einen Aufzug und
scheut keine Kosten. Aber Nachbarn stellen sich quer. Das Urteil
zeigt, dass Barrierefreiheit nicht um jeden Preis zu haben ist.

Karlsruhe/Cottbus (dpa) - Ein Gehbehinderter kann zwar auf eine Rampe
oder einen Treppenlift zur eigenen Wohnung pochen - der Einbau eines
Fahrstuhls ist aber so gravierend, dass es dafür die Zustimmung aller
anderen Wohnungseigentümer braucht. Das hat der Bundesgerichtshof
(BGH) am Freitag in einem Streit aus Cottbus entschieden. Mit ihrem
Urteil verhindern die Karlsruher Richter, dass ein 80 Jahre alter
Mann gegen den Willen einiger Nachbarn im Treppenhaus eines
Plattenbaus auf eigene Kosten einen Fahrstuhl nachrüsten kann.

«Wir sehen, dass er wahrscheinlich auf absehbare Zeit seine Wohnung
im fünften Stock nicht mehr wird nutzen können», sagte die
Vorsitzende Richterin Christina Stresemann. Der Einbau eines Aufzugs
sei aber mit derart großen Eingriffen verbunden, dass die
Miteigentümer dies nach derzeitiger Rechtslage nicht hinnehmen
müssten. Sollte die Politik Ältere besserstellen wollen, wäre das
aber über eine Gesetzesänderung möglich. (Az. V ZR 96/16)

Das Urteil betrifft grundsätzlich auch Menschen, die in einer
Eigentumswohnung zur Miete wohnen. Das Mietrecht gewährt ihnen
gegenüber ihrem Vermieter zwar unter Bedingungen einen Anspruch auf
barrierefreien Umbau. Dieser braucht dafür aber die Zustimmung in der
Eigentümerversammlung. Da auch Mieter das alles selbst bezahlen
müssten, ist der Wunsch nach einem Aufzug allerdings unrealistisch.

Der Rentner aus Cottbus lebt mit seiner Frau seit knapp vier
Jahrzehnten in der Eigentumswohnung. Für den Fahrstuhl kämpften die
Eheleute auch, weil sie zeitweise eine erwachsene Enkeltochter bei
sich betreuen, die schwer behindert ist. Notfalls wollten sie auch
die Einbaukosten von rund 94 000 Euro selbst schultern.

In der Vorinstanz hatte ihnen das Landgericht Frankfurt (Oder) das
Recht auf den Fahrstuhl unter Auflagen zugesprochen. Dazu gehörte,
auch für Betrieb und Instandhaltung aufzukommen und einen späteren
Rückbau durch Hinterlegung einer Sicherheit vorzufinanzieren.

Für die BGH-Richter löst das aber nicht das Grundproblem, dass auf
alle im Haus erhebliche Bauarbeiten und dadurch womöglich auch neue
Haftungsrisiken zukämen. Sie sehen außerdem größere Nachteile für
die
Nachbarn als das Landgericht. Durch den Aufzug im Treppenschacht
würden Stellflächen für Kinderwagen und Fahrräder verloren gehen.
Außerdem würde das Treppenhaus so eng, dass sperrige Gegenstände
nicht mehr hinauf und hinunter transportiert werden könnten.

Der Senat wies darauf hin, dass der Einbau eines Aufzugs unter
Umständen auch ohne Einstimmigkeit möglich sein kann, wenn die
Eigentümergemeinschaft ihn mit qualifizierter Mehrheit selbst
beschließt. Diese Rechtsfrage ist noch offen. In dem Fall ging es
allein darum, wie mit dem Wunsch eines Einzelnen umzugehen ist.