Wohnung im fünften Stock - 80-Jähriger kämpft um Aufzug Von Anja Semmelroch, dpa

Wie leben wir, wenn wir alt sind? Die meisten Menschen möchten in
ihrer vertrauten Umgebung bleiben. Aber nicht jedes Haus ist dafür
gemacht. Nun klärt der BGH, welche Ansprüche auf Umbauten es gibt.

Karlsruhe/Cottbus (dpa) - Ein Rentner-Ehepaar will auch im hohen
Alter noch in seiner Wohnung im fünften Stock eines Plattenbaus leben
können - aber gegen einen Aufzug im Treppenhaus sperren sich
Nachbarn. Am Freitag beschäftigt der Streit aus Cottbus in
Brandenburg den Bundesgerichtshof (BGH). Experten erhoffen sich eine
Richtschnur für ähnliche Konflikte. Denn die Menschen werden älter,
und viele Häuser sind dafür nicht gebaut.

Weshalb gibt es Streit?

Die Wohnung selbst gehört den Rentnern, aber ein Umbau im Treppenhaus
greift in das Gemeinschaftseigentum ein. Ohne Zustimmung der anderen
Wohnungseigentümer läuft daher nichts. In dem Plattenbau gibt es
jedoch Bedenken. Unten im Treppenschacht, wo der Aufzug hin soll,
stehen bisher Fahrräder und Kinderwagen. Der Cottbuser Anwalt Falk
Newi, der die Gegner in den Vorinstanzen vertreten hat, bringt
außerdem «nicht kalkulierbaren Lärm und Vibrationen» vor. Die
Eigentümerversammlung sträubt sich. Also zog der 80-jährige Ehemann
vor Gericht.

Warum ist die BGH-Entscheidung auch für andere interessant?

Vor der Herausforderung, ihre Wohnung altersgerecht umzugestalten,
stehen immer mehr Menschen. Laut Deutschem Mieterbund sind nach
offizieller Schätzung nur 570 000 der elf Millionen Seniorenhaushalte
und ein bis zwei Prozent aller Wohnungen barrierearm. Im
ungünstigsten Fall bleibt nur der Umzug. In der vertrauten Umgebung
haben alte Menschen aber ihren Arzt, ihren Supermarkt, ihre Buslinie,
gibt Petra Uertz, Bundesgeschäftsführerin des Verbands Wohneigentum,
zu bedenken. «Diese Dinge geben Geborgenheit.» Sie hofft deshalb,
dass Karlsruhe den Gerichten Leitlinien für den Konfliktfall vorgibt.

Welche Rechte gibt es auf Umbauten in Mehrfamilienhäusern?

Menschen, die zur Miete wohnen, haben seit 2001 bei «berechtigtem
Interesse» einen gesetzlich festgeschriebenen Anspruch auf die
Zustimmung ihres Vermieters zu einem behindertengerechten Umbau. «Das
geht von der Rampe am Eingang bis hin zum Treppenlift oder breiteren
Türen in der Wohnung», erläutert Ulrich Ropertz vom Mieterbund. Kurz

zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht der Beschwerde eines Mannes
stattgegeben, der für seine gelähmte Lebensgefährtin beim Vermieter
keinen Lift durchsetzen konnte: Das Benachteiligungsverbot gebiete,
auch die Nutzungsinteressen des Mieters zu berücksichtigen.

Hat der neue Paragraf etwas gebracht?

Eher nicht, meint Ropertz. Denn die Interessen des Vermieters oder
anderer Mieter können trotzdem schwerer wiegen, zum Beispiel wenn das
Treppenhaus für einen Lift viel zu eng ist. Vor allem aber müssen
Betroffene die Investition selbst stemmen, für die laufenden Kosten
aufkommen und beim Auszug den Rückbau bezahlen. Das Geld dafür kann
der Vermieter vorab als Sicherheit verlangen. Ein Aufzug kostet dann
gleich doppelt - das kann sich kaum jemand leisten. Noch schwerer hat
es, wer in einer Eigentumswohnung zur Miete wohnt. Er hat zwar den
Anspruch gegenüber seinem Vermieter. Diesem sind aber die Hände
gebunden, wenn er sich nicht in der Eigentümerversammlung durchsetzt.

Warum ist das so schwierig?

Hier gibt es im Gesetz keine eigene Regelung zur Barrierefreiheit. Es
gilt nur allgemein, dass Umbauten «beschlossen oder verlangt werden»
können, wenn alle zustimmen, deren Rechte beeinträchtigt sind. Für
den Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum schafft das ohne Not
regelmäßig Unsicherheit. Geschäftsführerin Gabriele Heinrich forder
t
deshalb ein Duldungsrecht wie bei Mietern - wenn der BGH nicht schon
mit seiner Entscheidung im Cottbuser Fall für mehr Klarheit sorgt.

Wie stehen die Chancen der Rentner auf ihren Fahrstuhl?

In der Vorinstanz hat das Landgericht Frankfurt (Oder) entschieden,
dass die anderen Eigentümer den Einbau dulden müssen, solange die
Eheleute alle Kosten tragen und eine Sicherheit leisten. Andernfalls
könnten diese ihre Wohnung früher oder später nicht mehr nutzen - und

das wiege schwerer als die Nachteile für die Hausgemeinschaft. Das
wollten die Nachbarn aber nicht akzeptieren, sie gingen in Revision.