Techniker Krankenkasse ist gegen Sanktionen beim Essen

Die Deutschen machen sich immer mehr Gedanken darüber, was ihnen auf
den Teller gepackt wird. Doch von der Esskultur der Italiener oder
Franzosen sind sie wohl noch ein gutes Stück entfernt.

Berlin (dpa) - Die Techniker Krankenkasse (TK) wirbt für eine
bewusstere Ernährung, aber ohne Verbote und Sanktionen. «Essen ist
viel mehr als nur Nahrungsaufnahme. Es ist Kultur, Genuss und bringt
Menschen zusammen», erklärte TK-Chef Jens Baas am Mittwoch anlässlich

der Vorstellung einer neuen Studie zum Ernährungsverhalten in
Deutschland.

Die Verbraucher in Deutschland wüssten zwar viel über die negativen
Auswirkungen zu hohen Fleischkonsums - wie Massentierhaltung,
Klimawandel oder eben Übergewicht. Sie passten ihr Essverhalten aber
noch zu wenig diesen Erkenntnissen an, macht die Studie deutlich.

Es gebe viele vegane Kochbücher, McDonald's biete einen Veggie-Burger
an, und viele Supermärkte verkauften fleischfreie Wurst. Aber nur
zwei Prozent der Befragten gaben an, Vegetarier zu sein. «Vegan
ernähren sich sogar nur ein Prozent», hieß es. Aktuelle Zahlen des
Robert-Koch-Instituts zeigen ebenfalls, dass nur vier Prozent der
Bevölkerung auf Fleisch verzichten, so die TK über die Ergebnisse der
Ernährungsstudie «Iss was, Deutschland».

Immerhin bezeichneten sich 13 Prozent als «Flexitarier». Diese
ernähren sich hauptsächlich vegetarisch, nehmen aber gelegentlich
auch hochwertiges Fleisch zu sich. Bei 41 Prozent dieser Flexitarier
bedeutet das ein- bis zweimal in der Woche. Die Deutsche Gesellschaft
für Ernährung empfiehlt, nicht mehr als 600 Gramm Fleisch und
Wurstwaren pro Woche zu essen.

Der Vorschlag der Grünen, einen Veggieday in Kantinen einzuführen,
hatte zu lautstarker Empörung geführt. Den Deutschen wird immer mal
wieder die Esskultur von Italienern und Franzosen vor Augen gehalten,
die offensichtlich bereit sind, für gute Lebensmittel, insbesondere
auch für gutes Fleisch, mehr Geld auszugeben. So verkaufen deutsche
Bauern ihr hochwertiges Rindfleisch nach Italien, weil sie dort
bessere Preise erzielen können.

An die Adresse von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU)
sagte Baas, die Frage sei nicht, ob vegetarische Produkte Wurst oder
Frikadelle heißen dürften, «sondern ob der Verbraucher weiß, was an

Zusatzstoffen in seiner vermeintlich gesunden Alternative steckt».
Schmidt will Fleischbezeichnungen für vegetarische und vegane
Lebensmittel verbieten. TK-Chef Baas sieht Industrie und Politik in
der Pflicht, die Kennzeichnung von Lebensmitteln verständlicher zu
machen.

Nach der Studie bezeichnet sich knapp die Hälfte der Befragten selbst
als übergewichtig, acht Prozent sogar als stark übergewichtig.
Begründet werde ungesunde Ernährung häufig mit fehlender Zeit für
Einkauf und Zubereitung von frischen Lebensmitteln. Also müssen
Fertiggerichte oder Snacks her, die häufig zu viel Fett, Salz oder
Zucker enthalten. Gerade die Kennzeichnung dieser drei Zutaten ist
nach Darstellung der Verbraucherorganisation Foodwatch eine Zumutung.
Selbst Süßigkeiten werden wie gesunde Produkte beworben.

Übrigens: Den größten Anteil von Fleischessern gibt es der Studie
zufolge im mittleren Westen Deutschlands. In Nordrhein-Westfalen,
Hessen, Rheinland-Pfalz sowie im Saarland liegt er bei 89 Prozent.
Vorreiter in Sachen Fleischverzicht sind demnach die Menschen in
Baden-Württemberg. Dort ernährt sich fast ein Viertel fleischarm.