Ohne Skandal, mit Stil - Hasselfeldts Erbe, Seehofers Herausforderung Von Kristina Dunz und Marco Hadem, dpa

Zum letzten Mal leitet Gerda Hasselfeldt die CSU-Traditionsklausur
der Bundestagsgruppe. Über eine ungewöhnliche Frau und die Frage der
Nachfolge für den wohl wichtigsten Posten nach dem Parteivorsitz.

Berlin/Seeon (dpa) - Der Vorfall liegt zwar schon rund 50 Jahre
zurück, aber Gerda Hasselfeldt erinnert sich lebhaft an ihn. Als
Jugendliche und eines von sechs Kindern half sie im elterlichen
Wirtshaus in Haibach im Bayrischen Wald und hörte so manchen derben
Spruch. Als ein Gast auch noch anzüglich wurde, scheuerte sie ihm
eine. Geschlagen hat sie später noch viele Männer - aber nicht mehr
physisch, sondern im Sinne von Siegen und Durchsetzen. Doch bald ist
Schluss. Im Juli wird sie 67 Jahre alt. Zur Bundestagswahl tritt sie
nicht mehr an. 30 Jahre gehörte Hasselfeldt dann dem Parlament an und
machte eine für Frauen in der CSU beispiellose Karriere.

Von Mittwoch bis Freitag leitet Hasselfeldt zum letzten Mal die
traditionsreiche Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten,
diesmal nicht im legendären Wildbad Kreuth in Bayern (dort wird
renoviert), sondern erstmals in Kloster Seeon am Chiemsee. CSU-Chef
Horst Seehofer kommt natürlich auch - und wird Hasselfeldt vermutlich
wie so oft die Show stehlen. Das macht ihr aber nichts aus.
Hasselfeldt war immer leise, bedächtig, höflich, zurückhaltend -
manche sagen langweilig. Und eben so ganz anders als Polterer und
große Redner der CSU. Das hinderte sie aber nicht am Erfolg.

Sie war Bauministerin und Gesundheitsministerin unter Helmut Kohl,
später Bundestagsvizepräsidentin. Seit 2011 führt sie die
CSU-Landesgruppe im Bundestag. Als erste Frau auf dem wohl
wichtigsten CSU-Posten nach dem Parteivorsitz. Sie geht nach einem
Politikerinnenleben ohne Skandal und mit Stil. Ihre Akkuratesse, was
Kleidung und öffentlich wahrnehmbaren Umgang betrifft, sind legendär.

«Ich möchte nicht mit 70 noch im Bundestag sitzen, sondern dann Platz
für Jüngere machen», sagte sie im vorigen Jahr. Zu den jüngeren,
erfolgreichen, zielstrebigen Parteisoldaten gehört etwa Alexander
Dobrindt (45), der Bundesverkehrsminister. Seit er die Einführung der
Pkw-Maut, die außer der CSU in Deutschland kaum jemand haben wollte,
wieder in greifbare Nähe gerückt hat, gilt er bei Seehofer endgültig

als gesetzt für hohe Aufgaben. Selbst ein Bundesminister wirkt in der
CSU nicht mehr so mächtig wie der Landesgruppenchef. Schon 2011 war
Dobrindt, damals noch CSU-Generalsekretär, dafür im Gespräch.

Für Seehofer könnte Dobrindt, der Mann mit gestreiften und karierten
Anzügen, einem eisernen Schlankheitswillen nach einem Gewichtsverlust
von 20 Kilo und einer extrem starken Verbundenheit zum Parteichef auf
dem Posten ein Gewinn sein. Seehofer wünscht sich wieder eine lautere
CSU-Stimme in Berlin, die sich stärker von Kanzlerin Angela Merkel
abhebt - wenn diese denn auch nach der Wahl Regierungschefin bleibt.

Dobrindt hat einige Male gegen Merkel aufbegehrt - und es
überstanden. Hasselfeldt und Merkel haben über die Jahre hingegen ein
Vertrauensverhältnis aufgebaut. Oft vermittelt Hasselfeldt zwischen
Merkel und Seehofer, wenn der Haussegen in der Union mal wieder
schief hängt. Hasselfeldt machte sich auch nicht in der
Flüchtlingskrise die massiven CSU-Attacken aus München gegen Merkel
zu eigen. Das missfällt so manchem in der Partei.

Von Entfremdung ist die Rede, von «zuviel Berlin und zu wenig
Bayern», von einem verstellten Blick auf die Stärke und das
Selbstverständnis der CSU infolge zahlloser Kompromissverhandlungen
mit der CDU in Berlin. Wie weit sich Hasselfeldt von der selbst
ernannten Herzkammer der CSU, der Landtagsfraktion, entfernt hat,
zeigte sich im Herbst, als sie kurzfristig ihre Teilnahme an der
Klausur im Kloster Banz in Bayern absagte, um in Berlin am
Vermittlungsausschuss zur Erbschaftsteuer teilzunehmen.

CSU-Landtagsabgeordnete vermuteten sofort, dass Hasselfeldt keine
große Lust auf ein neuerliches Scherbengericht in Banz hatte. 2015 -
kurz nach Merkels großzügiger Aufnahme von Flüchtlingen - war sie
hinter den Klostermauern von ihren eigenen Parteifreunden heftig in
die Mangel genommen worden. Welten prallten aufeinander zwischen
bajuwarischem Verdruss und Berliner Pragmatismus. Sämtlicher
aufgestauter Frust über Merkel und die Politik der Bundesregierung
wurde ungefiltert und teils aggressiv auf Hasselfeldt abgeladen.

Teilnehmer sprechen bis heute von einem «Tiefpunkt in der Beziehung
zu Hasselfeldt», den diese gar nicht verdient habe. Von Hasselfeldts
Nachfolger erwarteten viele CSUler in Bayern aber in jedem Fall
wieder mehr Prioritäten für den Freistaat und weniger Merkelianertum,
heißt es im Landtag. «Eben mehr Lederhose und weniger Kostümchen mit

Designer-Handtasche», wie ein Abgeordneter es bitterböse in
Anspielung auf Hasselfeldts Kleidungsstil formuliert.

Hasselfeldt kann sich bald denen widmen, die sie für ihre politische
Karriere im Dienste der CSU oft vernachlässigt hat: Ehemann, Kinder,
Enkelkinder. Gemeinheiten von Männern kann sie dann hinter sich
lassen. Viele wird sie wohl vergessen. Nur nicht den Gast im
Wirtshaus ihrer Eltern. Die Ohrfeige damals war ein richtiger
Knaller. So weit musste Hasselfeldt danach nie mehr gehen.