Reproduktionsklinik muss Namen von Samenspender verraten Von Janet Binder, dpa

Sie wurde vor mehr als 21 Jahren gezeugt - mithilfe einer anonymen
Samenspende. Nun hat eine junge Frau vor dem Amtsgericht Hannover den
Namen ihres biologischen Vaters eingeklagt. Ob sie den Mann
tatsächlich finden wird, ist aber noch unklar.

Hannover (dpa) - Sehe ich meinem Vater ähnlich? Hat er dieselben
Interessen wie ich? Solche oder ähnliche Fragen mag sich eine
21-jährige Frau, die mittels anonymer Samenspende gezeugt wurde,
gestellt haben. Sie wollte Antworten, einen Namen. Die
Reproduktionsklinik verweigerte jedoch die Auskunft, obwohl die
Rechtssprechung inzwischen eindeutig ist. So urteilte der
Bundesgerichtshof (BGH) Anfang 2015, dass Kinder grundsätzlich ein
Recht darauf haben, den Namen ihres biologischen Vaters zu erfahren.
In der Praxis aber verweigern immer noch Kliniken und Ärzte die
Auskunft.

Die Mutter der Klägerin hatte sich 1994 für eine künstliche
Befruchtung entschieden, weil ihr Ehemann zeugungsunfähig war. Mit
Einverständnis ihrer Eltern klagte die Ende Dezember 1994 geborene
Tochter jetzt vor dem Amtsgericht Hannover auf Bekanntgabe der
Identität ihres Erzeugers. Am Montag gab das Gericht ihrer Klage
statt. Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung sei
höher einzustufen als das informationelle Selbstbestimmungsrecht des
Samenspenders, hieß es zur Begründung.

Die junge Frau darf nun auch Einsicht in die Behandlungsunterlagen
nehmen. Ob sie ihren biologischen Vater tatsächlich finden wird, ist
allerdings noch unklar. Wie Gerichtssprecher Jens Buck sagt, ist nach
Angaben der Reproduktionsklinik nur der Nachname des Samenspenders
bekannt.

Auch der Rechtsanwalt der Klinik, Hans-Dieter Kimmel, hatte den
Erfolg der Klägerin erwartet und es dennoch auf den Prozess ankommen
lassen. «Der Samenspender war davon ausgegangen, dass sein Name
geheimgehalten wird», begründet Kimmel. Sollte nun die junge Frau
Unterhalts- oder Erbansprüche an den Mann stellen, könnte er in der
Folge womöglich an die Klinik Schadenersatzansprüche stellen. Um
dagegen gewappnet zu sein, könnte auch ein verlorener Prozess helfen.


Dabei ist nach Auskunft des Vereins Spenderkinder die Furcht vor
Unterhaltsansprüchen völlig unbegründet. «Keinem uns bekannten
Spenderkind geht es um finanzielle Forderungen gegenüber dem
Spender», betont Anne vom Verein Spenderkinder, die nicht mit ihrem
Nachnamen genannt werden möchte. Im Gegenteil: Zum Schutz der Spender
fordere der Verein sogar den Ausschluss von Erbansprüchen und
Unterhaltsforderungen des Kindes.

«Alle Menschen in Deutschland - auch Spenderkinder - haben ein Recht
auf Kenntnis ihrer genetischen Herkunft», stellt Anne klar. Und
dieses Recht werde durch das Vorenthalten der Angaben über die
Identität des Spenders verletzt. Laut BGH-Urteil können Informationen
über den biologischen Vater «für die Entfaltung der Persönlichkeit

von elementarer Bedeutung sein». Für den Samenspender müsse die
Auskunft zwar zumutbar sein. «Nicht maßgeblich sind hingegen seine
wirtschaftlichen Interessen», so der BGH.

Im Bundesgesundheitsministerium wird schon seit längerem an den
institutionellen und organisatorischen Voraussetzungen gearbeitet,
damit jedes Kind sein Recht auf Kenntnis seiner Herkunft bekommt: Per
Gesetz soll ein zentrales Spenderregister eingeführt werden. Wann
dies umgesetzt wird, ist noch unklar.