Zweistellige Tariferhöhung bei privaten Krankenversicherern

Wie die Sparer holt die lange Niedrigzinsphase nun auch die privat
Krankenversicherten ein. Viele Versicherer müssen die Tarife anheben.
Damit kommt die Bürgerversicherung wieder ins Gespräch.

Berlin (dpa) - Sechs Millionen privat Krankenversicherte müssen zum
Jahreswechsel mit zum Teil massiven Tariferhöhungen rechnen. Im
Schnitt lägen die Anhebungen bei elf Prozent. In der Spitze seien
auch gut doppelt so hohe Prämienanhebungen möglich. Darüber
berichteten am Donnerstag die «Frankfurter Allgemeine Zeitung»,
«Stuttgarter Zeitung» und «Stuttgarter Nachrichten». Damit sind run
d
zwei Drittel der fast neun Millionen privat Versicherten betroffen.
Die Benachrichtigung durch ihre Kasse würden die meisten Anfang
November erhalten.

Als Grund nennt der Verband der Privaten Krankenversicherung
(PKV) die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank.
Volker Leienbach, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des
PKV-Verbandes, sagte, «dass es zu untypischen Beitragserhöhungen»
kommen werde, ohne sich auf genaue Zahlen festzulegen. «Was am
Kapitalmarkt nicht zu erwirtschaften ist, muss durch eine Erhöhung
der Vorsorge ausgeglichen werden», sagte er. Dies sei «gesetzlich
vorgeschrieben».

«Ohne die Auswirkungen der Niedrigzinsen wäre die
PKV-Beitragsentwicklung auch in diesem Jahr unauffällig», so
Leienbach weiter. Schon seit Jahren liege der Ausgabenanstieg der
privaten nicht über derjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV).

Die sich abzeichnenden Tariferhöhungen lassen den Ruf nach einer
solidarischen Einheitskrankenversicherung wieder lauter werden. Die
gesundheitspolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion,
Kathrin Vogler, erklärte: «Das Geschäftsmodell der privaten
Krankenversicherungen ist am Ende. Jetzt zeigt sich überdeutlich,
dass ein solidarisch finanziertes und auf Umlage basierendes
gesetzliches Versicherungsmodell nachhaltiger ist als das der
Privatversicherung, das auf Kapitalmarkt und Zinserträge setzt.» Es
sei ein Irrweg, wenn aus Kreisen der Union jetzt Gesetzesänderungen
zur Rettung der Versicherungskonzerne erwogen würden.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Maria
Klein-Schmeink, argumentierte, die starke Abhängigkeit der PKV vom
Finanzmarkt mache es krisenanfällig. Die massive Anhebung «trifft
auch viele nicht gut verdienende Selbstständige oder kleine Beamte».
Auch sie plädierte für das Einheitsmodell Bürgerversicherung. «Wir

brauchen ein Modell, das in alle Lebenslagen passt. Solidarität muss
alle umfassen. Als Gemeinschaft können wir die Herausforderungen der
älter werdenden Gesellschaft besser stemmen.»