«Kein Täter werden» - Prävention hilft Pädophilen Interview: Anja Sokolow, dpa

Pädophile gar nicht erst zu Tätern werden lassen - das ist das Ziel
des Netzwerks «Kein Täter werden». Rund 6400 Männer haben bereits

Hilfe gesucht.

Berlin (dpa) - Männer, die sich zu Kindern hingezogen fühlen, können

deutschlandweit kostenlos und anonym Hilfe von Therapeuten bekommen.
Das in Berlin initiierte Netzwerk «Kein Täter werden» ist
mittlerweile in elf Städten vertreten. Im Interview berichtet der
Pressesprecher des Netzwerks, Jens Wagner, über Ziele, Arbeit und
Erfolge.

Frage: An wen richtet sich das Netzwerk «Kein Täter werden»?

Antwort: Das Angebot des Präventionsnetzwerks richtet sich an
Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen, unter ihrer
Neigung leiden und deshalb therapeutische Hilfe suchen. Ziel ist es,
sexuelle Übergriffe durch direkten körperlichen Kontakt oder indirekt
durch den Konsum oder das Veröffentlichen von Missbrauchsabbildungen
im Internet zu verhindern.

Frage: Wie viele Männer haben sich bereits Hilfe gesucht
beziehungsweise eine Therapie begonnen?

Antwort: Rund 6400 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet haben sich
seit 2005 bis Ende März 2016 an das Präventionsnetzwerk gewendet.
Fast 1200 von ihnen konnte ein Therapieangebot gemacht werden.
Insgesamt haben seitdem 539 Teilnehmer die Therapie begonnen und 231
erfolgreich abgeschlossen. Ebenfalls 231 befinden sich in
therapeutischer Behandlung.

Frage: Wie sieht eine Therapie aus?

Antwort: Die gesamte Therapie erfolgt kostenlos und unter
Schweigepflicht. Sie findet wöchentlich in Gruppen sowie bei Bedarf
auch in Einzelgesprächen und unter Einbeziehung Angehöriger statt.
Die Behandlung folgt einem strukturierten Therapieplan und
berücksichtigt die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmer. Die
Therapie im Netzwerk integriert psychotherapeutische,
sexualwissenschaftliche, medizinische und psychologische Ansätze
sowie die Möglichkeit einer zusätzlichen medikamentösen
Unterstützung.

Frage: Wo liegen die Grenzen einer Therapie?

Antwort: Unser therapeutisches Angebot richtet sich an
problembewusste Menschen, die aus eigenem Antrieb Hilfe in Anspruch
nehmen wollen. Die Therapie kann dann erfolgreich sein, wenn die
Teilnehmer etwas erreichen wollen und bereit sind, etwas zu
verändern. Schwierig wird es, wenn Teilnehmer ihre individuellen
Risikosituationen nicht sehen oder ihnen die Bereitschaft fehlt,
daran zu arbeiten.

Antwort: Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen und die Rückmeldungen
der Teilnehmer?

Antwort: Bisherige Auswertungen zeigen, dass das Behandlungsprogramm
geeignet ist, bekannte Risikofaktoren für sexuellen Kindesmissbrauch
zu senken und bei den Betroffenen eine erfolgreiche
Verhaltenskontrolle aufzubauen. Unsere Teilnehmer sind in der Regel
dankbar dafür, dass sie bei uns Hilfe finden und von uns nicht
aufgrund ihrer sexuellen Präferenz moralisch verurteilt werden.
Niemand ist verantwortlich für seine sexuelle Neigung, aber jeder für
sein Verhalten.

Frage: Wie steht es um die Zukunft des Netzwerks?

Antwort: Der Berliner Standort wird noch bis Ende 2016 vom
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gefördert.
Diese Förderung läuft Ende des Jahres aus rechtlichen Gründen aus.
Verhandlungen mit dem Berliner Senat über eine Weiterfinanzierung
laufen. Alle anderen Standorte werden bislang für jeweils ein bis
drei Jahre von den jeweiligen Landesministerien gefördert. Unser Ziel
ist daher eine Verstetigung und einheitliche Finanzierung, um
bundesweit Versorgungsstrukturen zu schaffen, damit Betroffene in
Wohnortnähe qualifizierte Behandlungsangebote finden.

Frage: Was passiert mit Menschen, für die die Anfahrt zu den
Standorten zu weit ist?

Antwort: Interessenten, die aufgrund zu weiter Anreisewege keine
Diagnostik und Therapie an einem der Standorte in Anspruch nehmen
können oder bei denen Faktoren vorliegen, welche die Aufnahme in das
Therapieprogramm verhindern, zum Beispiel schwere psychische
Störungen oder Substanzabhängigkeiten, werden an angemessene
Therapiealternativen vermittelt.