Länder: Harte Strafen für Raser, mehr Tempo 30, «Nein heißt Nein»

Die Tagesordnung war selten so lang: Fast 90 Punkte arbeitete der
Bundesrat in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause ab. Darunter
Brisantes wie illegale Autorennen oder ein Burka-Verbot vor Gericht.

Berlin (dpa) - Die Länder wollen Raser bei illegalen Autorennen
wesentlich härter bestrafen. Sie plädieren für bis zu zehn Jahre
Haft, sollte es bei solchen Rennen - wie so oft - Schwerverletzte
oder gar Tote geben. Kommunen können auf Durchgangsstraßen vor Kitas,
Schulen, Pflegeheimen oder Krankenhäusern bald leichter
Tempo-30-Zonen einrichten. Im deutschen Sexualstrafrecht gilt künftig
konsequent: «Nein heißt Nein». Wesentliche Beschlüsse des Bundesrat
s
vom Freitag:

- Bei illegalen Autorennen droht künftig bis zu zwei Jahren Haft,
anstatt wie bisher nur ein Bußgeld von maximal 400 Euro und ein
einmonatiges Fahrverbot. Einen entsprechenden Gesetzentwurf will der
Bundesrat im Bundestag einbringen. Wie Nordrhein-Westfalens
Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) erläuterte, können zudem
Teilnehmer solcher Rennen, die Unbeteiligte in Gefahr bringen, bis zu
fünf Jahre in Haft kommen. Sollte es Schwerverletzte oder gar Tote
geben, drohen Freiheitsstrafen von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

- Vor Schulen, Kitas oder Seniorenheimen soll auf Durchgangsstraßen
leichter Tempo 30 vorgeschrieben werden können - wie jetzt schon auf
Nebenstraßen. Bisher muss aufwendig nachgewiesen werden, dass es sich
um einen Unfallschwerpunkt handelt. Kinder bis acht Jahre dürfen
künftig von einer mindestens 16 Jahre alten Aufsichtsperson auf dem
Rad begleitet werden, wenn sie auf Gehwegen fahren. Zudem wird
klargestellt, dass Autofahrer auf Autobahnen und großen Bundesstraßen
bei mindestens zwei Streifen in eine Richtung für Polizei und
Rettungskräfte «zwischen dem äußerst linken und dem unmittelbar
rechts daneben liegenden Fahrstreifen» eine Gasse frei halten müssen.

- Nach dem verschärften Sexualstrafrecht macht sich künftig schon die
Person strafbar, die sich über den «erkennbaren Willen» des Opfers
hinwegsetzt. Dann drohen bis zu fünf Jahre Haft. Neu ist auch ein
Straftatbestand der sexuellen Belästigung. Er verbietet, einen
Menschen zu begrapschen. Unter Strafe gestellt werden außerdem Taten
aus einer Gruppe heraus wie bei den Übergriffen auf Frauen in der
Silvesternacht in Köln.

- Die Bundesregierung soll ein Verbot der Vollverschleierung in
Gerichtsverfahren prüfen. In einer Entschließung «Freies Gesicht im
rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren» heißt es zur Begründung,
Verfahren erforderten, dass die Beteiligten sich vor Gericht zu
erkennen gäben und auch ihr Gesicht zeigten. Bayern unterstrich, wenn
Richter einer Zeugin nicht ins Gesicht sehen könnten, sei es auch
nicht möglich, deren Aussagen umfassend zu würdigen.

- Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen
starteten einen neuen Vorstoß für ein Einwanderungsgesetz. Sie riefen
die Bundesregierung auf, einen Entwurf vorzulegen. Ziel ist, den
Zuzug von Fachkräften attraktiver zu gestalten. Der Antrag wurde an
die Ausschüsse verwiesen. Schon 2015 hatten SPD-geführte Länder einen

ähnlichen Vorstoß unternommen, der jedoch versandete. Die SPD im Bund
wirbt seit langem für ein Einwanderungsgesetz. Die Union ist bei dem
Thema uneins.

- Deutschland kann das Klimaschutzübereinkommen von Paris
ratifizieren. Einen Tag nach dem Bundestag billigte auch der
Bundesrat das Gesetz. Nun muss noch der Bundespräsident
unterzeichnen.

- Prostituierte sollen besser geschützt werden. Ein entsprechendes
Gesetz sieht unter anderem eine Anmeldepflicht vor. Freier haben
Kondompflicht. Bordellbetreiber erhielten klarere Regeln, um vor
Ausbeutung und Gewalt zu schützen, hieß es. Das Gesetz tritt zum 1.
Juli 2017 in Kraft.

- Eine neue Arbeitsstättenverordnung sieht unter anderem vor, dass
Arbeitsplätze und sonstige große Sozialräume Sichtverbindung nach
außen haben müssen - also angemessen große Fenster. In Flughäfen,
Bahnhöfen, Sportstadien oder Einkaufszentren sei dies nicht zwingend.
Wirbel hatte es um abschließbare Kleiderschränke gegeben. Nun soll
eine (nicht abschließbare) Kleiderablage zur Verfügung stehen, sofern
keine Umkleideräume vorhanden sind.

- Menschen mit Behinderung soll bessere Teilhabe am öffentlichen
Leben ermöglicht werden. Vor allem die etwa 700 000 Personen, die auf
Assistenzleistungen angewiesen sind, dürfen deutlich mehr vom eigenen
Vermögen und Einkommen behalten. Die Länder haben allerdings eine
ganze Reihe Änderungswünsche am Entwurf der Bundesregierung.

- Der Bundesrat möchte Computer und IT-Systeme besser vor
Hackerangriffen schützen. Der unerlaubte Zugriff auf fremde Computer,
Smartphones, Navigationssysteme, Fernseher oder internetfähige
Kühlschränke soll künftig mit Freiheitsentzug von bis zu zehn Jahren

geahndet werden. Der Bundesrat will einen entsprechenden
Gesetzentwurf im Bundestag einbringen.