«Albtraum für Frauen» - Polen vor Abtreibungsverbot? Von Natalie Skrzypczak, dpa

Jahrelange Haft nach einer Abtreibung: Das Szenario könnte für
polnische Frauen Realität werden. Die Regierung in Warschau erwägt,
die ohnehin strengen Gesetze des Landes weiter zu verschärfen.

Warschau (dpa) - Zum Zeichen ihres Protests tragen sie schwarz. Auf
der Straße, im Büro und vor dem Warschauer Parlament, in dem
polnische Abgeordnete über eine heftig umstrittene Verschärfung des
Abtreibungsrechts diskutieren. «Wenn sie nicht auf uns hören wollen,
dann sollen sie uns sehen», sagen Mitglieder der Linkspartei Razem,
die in sozialen Medien zum «schwarzen Protest» («Czarny Protest»)
aufgerufen haben. Weltweit schlossen sich Zehntausende Frauen und
Männer an und posteten bei Facebook und Co. Fotos ihrer dunklen
Montur. «Ich kann nicht glauben, dass wir darum kämpfen, über unsere

eigenen Körper entscheiden zu dürfen», twittert eine Frau zum
Gesetzentwurf der Bürgerinitiative «Stoppt Abtreibungen» («Stop
Aborcji»), der Schwangerschaftsabbrüche komplett verbieten soll.

Dabei gilt in Polen bereits eine der strengsten Regelungen in Europa,
wie Frauenrechtler sagen. «Wenn diese Initiative durchkommt, haben
wir eines der restriktivsten Gesetze weltweit», sagt Krystyna
Kacpura, Direktorin des Warschauer Bündnisses für Frauenrechte und
Familienplanung, der Deutschen Presse-Agentur. In dem katholisch
geprägten Land sind Abtreibungen bisher nur erlaubt, wenn die Frau
vergewaltigt wurde, ihr Leben in Gefahr ist oder das Kind eine
schwere Behinderung hat.

Setzen sich die Verbotsverfechter durch, müssen Polinnen auch diese
Schwangerschaften austragen. «Oder sie treiben ab und gehen ins
Gefängnis», sagt Kacpura. Bis zu fünf Jahre Haft für Mütter sieht
die
Bewegung «Stop Aborcji» vor. Sie fand so viele Unterstützer, dass ihr

Gesetz ins Parlament kam. Nach Fehlgeburten sollen
Sicherheitsbehörden die Gründe ermitteln. «Das Gesetz ist ein
Albtraum für Frauen», sagt Kacpura.

Regierungsangaben zufolge werden in Polen jährlich bis zu 1000
Schwangerschaften abgetrieben. Die Dunkelziffer liegt Frauenrechtlern
zufolge sogar bei etwa 150 000. Ein Verbot werde daran nichts ändern.
«Schon jetzt lassen viele Polinnen Abtreibungen lieber im Ausland
vornehmen», sagt Kacpura. Als Beispiele nennt sie Deutschland,
Tschechien oder Holland - Länder in denen der Eingriff nicht verboten
ist. «Dort fühlen die Frauen sich besser aufgehoben», sagt die
Frauenrechtlerin. «Und es ist günstiger.»

Daraus hat sich inzwischen ein ganzer Geschäftszweig entwickelt.
«Viele Kliniken bieten einen Service auf Polnisch an», sagt Kacpura.
Doch diesen können sich nicht alle leisten. Für ärmere und in
ländlichen Regionen lebende Polinnen würde ein Abtreibungsverbot das
Gesundheitsrisiko erhöhen. «Wenn diese armen Frauen keinen anderen
Ausweg sehen, werden sie auf Hausmittel zurückgreifen.»

Dabei ist es gerade das Wohl der Frauen, um das sich die
Verbotsbefürworter ihrer Kampagne nach sorgen.
«Schwangerschaftsabbrüche sind für Frauen eine Hölle», sagt Karol
ina
Pawlowska. «Schmerzlich wirken sie auf die Psyche und können auch
physische Folgen für die Frau haben», sagt die Unterstützerin der
Initiative, die mit Fotos toter Embryos gegen Abtreibungen wirbt.

Frauenrechtler sehen darin eine Manipulation der Emotionen. «Es geht
weder um das Wohl der Frauen noch um eine Reduzierung der
Abtreibungen», sagt Kacpura. Vielmehr sollten Traditionen und das
klassische Familienmodell gestärkt werden. «Es geht um Macht und
darum, unser Privatleben, das, was uns am Wichtigsten ist, zu
kontrollieren.» Dabei gehen die Abtreibungsgegner auch der Kirche zu
weit. Nach anfänglicher Unterstützung rückte das Episkopat vom
Totalverbot ab und distanzierte sich klar von Haftstrafen für Frauen.

Die radikalen Ansichten könnten auch den Abgeordneten zu heikel
werden. Zwar befürworteten Politiker der mit absoluter Mehrheit
regierenden nationalkonservativen PiS-Partei das Verbot, doch Kacpura
bleibt zuversichtlich: «Der internationale Protest ist bereits zu
groß.» Mit ihrem Verband unterstützt sie den Gesetzentwurf der
Gegenbewegung «Ratujmy Kobiety» («Lasst uns die Frauen retten»), de
r
ebenfalls im Parlament zur Debatte steht. Die Initiative will das
geltende Abtreibungsrecht liberalisieren. Kacpura sagt: «Wir werden
weiter kämpfen.»