Sehr süße Getränke - Foodwatch will Zucker-Abgabe für Hersteller

26 Stück Würfelzucker können nach einem Test der
Verbraucherorganisation Foodwatch in einer Dose Energydrink stecken.
Die Forderung nach einer Zuckerabgabe der Hersteller stößt allerdings
auf ein geteiltes Echo.

Berlin (dpa) - Versteckte süße Bomben: Mehr als jedes zweite
Erfrischungsgetränk in Deutschland enthält nach Ansicht der
Verbraucherorganisation Foodwatch zu viel Zucker. Bei insgesamt 463
untersuchten Limonaden, Energydrinks, Fruchtsäften, Schorlen, Brausen
und Eistees fanden sich in rund 60 Prozent der Produkte mehr als fünf
Prozent Zucker, teilte Foodwatch am Mittwoch mit. Das süßeste Getränk

im Test, ein Energydrink, kam auf 16 Prozent Zucker. Das entspricht
78 Gramm oder 26 Stück Würfelzucker in einer 500-Milliliter-Dose, wie
die Tester berichten. Foodwatch wolle mit dem Test eine Diskussion
über eine Zuckerabgabe der Getränkehersteller in Gang setzen, sagte
Kampagnenleiter Oliver Huizinga. Die Branche und auch der
Bundesernährungsminister halten das für keine Lösung.

Flüssiger Zucker in Form von Getränken erhöhe das Risiko für
Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes, sagt Wieland Kiess, Direktor der
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikums Leipzig bei der
Vorstellung der Studie. «Es ist absurd, Kindern Kalorien zum
Durstlöschen anzubieten», ergänzt er. «Süßgetränke haben
erwiesenermaßen einen Effekt: Sie machen dick.» Vor allem Jugendliche
in Deutschland hätten dadurch inzwischen ein «dickes Problem», nur
bei Kleinkindern habe ein Umdenken der Eltern eingesetzt.

Bei dem Test von alkoholfreien Getränken der drei größten
Handelsketten wies Foodwatch in mehr als einem Drittel (37 Prozent)
der Flaschen und Dosen mehr als acht Prozent Zucker nach. Das
entspreche 6,5 Stück Würfelzucker pro Glas (250 Milliliter).
Lediglich 55 Getränke waren zuckerfrei, fast 90 Prozent davon
enthielten jedoch Süßstoffe. «Nur sechs Test-Produkte waren ganz ohne

Zucker oder Süßstoff», berichtete Huizinga.

Großbritannien will ab 2018 eine Zucker-Steuer einführen, damit es
weniger gesüßte Getränke zu kaufen gibt. Sie soll ab fünf Gramm
Zucker pro 100 Milliliter greifen und ab acht Gramm noch einmal
steigen. Bis 2018 sollen Getränkehersteller die Chance bekommen, den
Zuckergehalt freiwillig zu reduzieren. Ein ähnliches Modell würde
Foodwatch für Deutschland begrüßen - mit Abgaben von 20 bis 30 Cent
pro Liter. Das würde pro Jahr rund eine Milliarde Euro ergeben, die
in Präventionsprogramme fließen könne.

«Mir ist kein Land bekannt, in dem eine Steuer auf Zucker zu einer
besseren gesundheitlichen Situation der Bevölkerung geführt hat»,
sagt dagegen Detlef Groß, Hauptgeschäftsführer der
Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke. «Wenn man das Problem
krankhaftes Übergewicht angehen will, bedarf es ganzheitlicher
Lösungen.» Dazu könne auch Schulunterricht zum Lesen einer
Nährwerttabelle beitragen. Bei Getränken sei der Energiegehalt auf
den Etiketten immer angegeben. «Es ist eine Glaubensfrage, ob man
Herstellern den Zuckergehalt vorschreiben will oder die Verbraucher
beim Kauf der Produkte frei entscheiden lässt», ergänzte Groß.

«Die Einführung von Strafsteuern auf Lebensmittel ist der falsche
Weg. Erfahrungen in anderen EU-Ländern zeigen, dass dies in aller
Regel nicht die gewünschte Lenkungswirkung hat», sagte
Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) am Mittwoch der
Deutschen Presse-Agentur. «Mein Ziel ist es, die Menschen von einem
gesunden Lebensstil zu überzeugen.» Der Schlüssel dazu liege in der
Ernährungskompetenz. «Deshalb setze ich auf Transparenz, Information
und Ernährungsbildung, am besten als eigenes Schulfach.»

Gesundheitspolitiker sind anderer Meinung. «Ich halte eine
Zuckerabgabe für sehr sinnvoll und notwendig», sagte Dietrich
Monstadt (CDU) vom Gesundheitsausschuss im Bundestag der
«Bild»-Zeitung (Mittwoch). Wenn keiner gegensteuere, bestehe die
Gefahr, dass in zehn Jahren jeder vierte Deutsche Diabetiker sei.
Auch Edgar Franke (SPD), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses,
hält eine Zuckerabgabe für effektiv. Gleichzeitig müsste man aber die

Mehrwertsteuer für «gesunde» Lebensmittel senken. Renate Künast
(Grüne), Vorsitzende des Ausschusses für Verbraucherschutz, will noch
warten. «Ich würde erst mal schauen, wie die Zuckerabgabe in
Großbritannien wirkt», sagte sie der Zeitung.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt in ihrer jüngsten
Richtlinie aus dem Jahr 2015 im Mittel nicht mehr als sechs Teelöffel
(25 Gramm) Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln pro Tag. Das
reduziere das Risiko von Übergewicht, Fettsucht und Karies.