«Zero Zika» bei Olympia Von Georg Ismar und Andreas Nöthen, dpa

Bis hin zu einer Olympia-Absage haben die Forderungen wegen der
Zika-Angst gereicht. Nun gibt es bisher keinen gemeldeten Fall. Dank
des südamerikanischen Winters. Aber Zika wird ein Comeback feiern.

Rio de Janeiro (dpa) - Zika ist bei den Olympischen Spielen bisher
vor allem dann in aller Munde gewesen, wenn Hope Solo am Ball war.
«Ole, ole, Ole, Zika, Zika», schallte es stets durch das Stadion.
Eine Retourkutsche der brasilianischen Fans gegen die Torhüterin der
US-Frauenfußballer, die im Viertelfinale an Schweden scheiterten.

Über die sozialen Medien schürte Solo aus Sicht vieler Brasilianer
unnötige Angst vor dem Virus - im südamerikanischen Winter gibt es
nur wenige Moskitos der Art Aedes aegypti, die der Hauptüberträger
sind. Die Weltgesundheitsorganisation hat bisher nicht einen einzigen
Zika-Fall bei Olympia zu verzeichnen. Nicht einen. Was war im Vorfeld
nicht alles diskutiert worden, bis hin zu einer Absage der Spiele.

Hope Solo hatte die Panik aus Sicht der Brasilianer mitangefacht. Via
Twitter veröffentlichte sie ein Bild, dass ein ganzes Bett voll von
Insektenschutzmitteln für den Olympia-Einsatz zeigt. Ein anderes
zeigte sie mit einer Moskito-Schutzmaske über den Kopf. Sie hatte
zunächst einen Verzicht auf Olympia erwogen - weil sie eine Familie
gründen will. Das Virus kann Schädelfehlbildungen bei Babys auslösen.


Die Schätzungen für Brasilien reichen zu bis zu 1,5 Millionen Fällen

- aber viele Infektionen werden gar nicht bemerkt und entsprechend
keine Tests veranlasst. Das brasilianische Gesundheitsministerium hat
seit dem Ausbruch der Epidemie im April 2015 offiziell 174 000 Fälle
bestätigt. «Das entspricht 85,1 Fällen pro 100 000 Einwohner», sagt

ein Sprecher.

Im Bundesstaat Rio de Janeiro liegt die Quote mit 278,1 Fällen aber
höher. Es ist erwiesen, dass Zika schwere neurologische Schäden
verursachen kann. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums gab es
seit der systematischen Erfassung im Oktober bis Mitte Juli 1709
bestätigte Mikrozephalie-Fälle. Aber nur bei 267 bestätigten Fällen

konnte das Zika-Virus eindeutig nachgewiesen werden, mit dem sich die
Mütter in der Schwangerschaft infiziert hatten. Ein anderer Grund für
Mikrozephalie kann Alkohol in der Schwangerschaft sein.

Das brasilianische Gesundheitsministerium hat inzwischen eine eigene
Zika-Rubrik zu «Mythen und Wahrheiten» eingerichtet. Aber ob es aus
PR-Sicht klug war, in der Hochphase im Februar Anti-Moskito-Kommandos
mit martialischen gelben Schutzanzügen loszuschicken? Die Bilder
gingen um die Welt und wurden zu Olympia neu aufgelegt - auch wenn
jetzt die Situation eine ganz andere ist. Dass Rio de Janeiro, und
ganz Brasilien, dauerhaft mit solchen Viruserkrankungen werden leben
müssen, gilt für Mediziner als wahrscheinlich. In dem Aufsatz «Zika
Virus Controversies: Epidemics as a Legacy of Mega Events» zeichnet
zumindest ein brasilianisches Forscherteam ein ernüchterndes Bild.

Einen der Hauptgründe für die Ausbreitung sehen die Mediziner im nach
wie vor schlecht ausgebauten Abwassersystem. Nach ihren Forschungen
verfügen 55 Prozent der Haushalte über keinen oder nur unzureichenden
Anschluss an das öffentliche Abwassersystem. Am schlimmsten ist
demnach die Situation in ländlichen Gebieten im Norden und Nordosten.
Dort, wo Zika als erstes von der Ärztin Adriana Melo überhaupt als
Epidemie identifiziert worden war, ist etwa jeder zweite Haushalt
nicht am Abwassernetz angeschlossen - ein idealer Nährboden für die
Aedes-Gelbfiebermücke, die feuchte Plätze zum Eierablegen nutzt.

Zwar hat die Regierung kurzfristig allerhand unternommen, um ein
ungehemmtes Wachstum der Moskitopopulation einzudämmen. Kampagnen wie
«Zika Zero» hält Professor Alberto Arbex von der medizinischen
Hochschule (Ipemed) in Rio de Janeiro, der Autor des Aufsatzes, für
illusorisch. Das oft kaum vorhandene Abwassersystem bleibe die
wichtigste Herausforderung, vor dem Hintergrund des Risikos, dass
sich andere (neue und alte) Infektionskrankheiten ansonsten schnell
festsetzen. Wie Zika. Und davor Dengue. Auch weil es Indizien gibt,
dass sich die Moskitos wegen des Klimawandels schneller verbreiten.

Das Dengue-Fieber beschäftigt Brasilien seit den frühen 80er Jahren.
Offiziell sind bislang zehn Millionen Brasilianer mit Dengue im Laufe
der Jahre infiziert gewesen, die Zahl der Todesfälle wird mit 4000
angegeben. Rio und Brasilien investierten viel zu wenig in einer
Verbesserung der Abwasserentsorgung, betont Arbex. «Das kann man ganz
klar in der Guanabara-Bucht (Segeln) oder in Barra da Tijuca
(Olympipark) sehen, wo die Abwasserkanäle direkt im Meer enden».

Ab Oktober, wenn bei wärmeren Temperaturen die Moskitos zurück sind
und sich in gerade in den Kloakengewässern rasant vermehren werden,
werden die Zika- und Dengue-Fälle wieder zunehmen. Aber: Da man nur
einmal mit Zika infiziert werden kann, sind vielleicht viele bereits
immun, weshalb sich die Zika-Ausbreitung mittelfristig abschwächen
könnte. «Wir erwarten, dass die gegenwärtige Epidemie in drei Jahren

weitgehend überwunden ist», bilanziert Neil Ferguson vom Zentrum für

Epidemie-Analysen des Imperial College London im Magazin «Science».